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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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in ein Funkgerät sagte. Diese Situation hätte wohl die meisten Agenten – mit Sicherheit aber den indischen Geschäftsmann – so beunruhigt, dass sie ihre Mission sofort abgebrochen und das Weite gesucht hätten.
    Der Afrikaner aber war aus anderem Holz geschnitzt. Er wusste, dass er sich vor KG B-Agenten in Zivil in Acht nehmen musste und nicht vor der Miliz. Er ließ die Statue links liegen und bummelte, ohne die Milizionäre auch nur eines Blickes zu würdigen, weiter den Karl-Marx-Prospekt entlang. Nach dem Gebäude der Parteizentrale mit seinen überlebensgroßen Portraits von Marx und Engels bog er in den Park hinter dem Lenindenkmal ab, wo er sich auf eine leere, im Schatten gelegene Bank setzte. Während er das tat, nahm er, geleitet vom untrüglichen Instinkt eines Naturtalents, die Reisetasche von seiner Schulter und stellte sie in das dichte Gebüsch direkt hinter der Bank. Dann zündete er sich eine Zigarette an und überlegte sich, was er als Nächstes tun sollte.
    Die Bank war nicht weit von einem Eingang zum U-Bahnhof Leninplatz entfernt. Der Mann aus Tansania konnte deutlich das Relief sehen, das die Wand des Treppenaufgangs zierte. Es zeigte Lenin, wie er die Völker Asiens aus der Sklaverei führte. Den großen Befreier umgaben Menschen in orientalischer Tracht   – Männer mit viereckigen Hüten, die Eisen schmiedeten und Weizen droschen, und muslimische Frauen im Schador, die wie die drei Grazien dastanden und Reisigbesen in den Händen hielten!
    Das tut’s auch, dachte Mbane. Wenn er die Bombe nichtam Lenindenkmal hochgehen lassen konnte, dann eben am U-Bahnhof . Seelenruhig rauchte er die Zigarette zu Ende und steckte sich noch eine an. Als die Dämmerung hereinbrach, erhob er sich langsam von der Bank und vergewisserte sich noch einmal, dass die Tasche unter Zweigen des Gebüschs gut verborgen war. Und dann stieg Wladimir Illitsch Mbane mit einem Fünfkopekenstück in der Hand ungerührt und ruhig die Treppe zur U-Bahn hinunter.
    So kam es, dass der erste von einem westlichen Agenten in der Sowjetunion verübte Sprengstoffanschlag eine Reihe von Büschen wegblies und vier Parkbänke und einen Betonweg sowie ein Treppenrelief am U-Bahnhof Leninplatz beschädigte. Die Bombe explodierte mitten in der Nacht, als die meisten Bürger von Taschkent friedlich in ihren Betten lagen und ein gewisser indischer Geschäftsmann schon vor Stunden in Kabul gelandet war. Der KGB ließ verlauten, dass am Leninplatz eine defekte Gasleitung explodiert sei, und als seine Agenten an der Universität Erkundigungen nach dunkelhäutigen Studenten anstellten – mehrere Schwarze waren vor der Explosion in der Nähe des U-Bahnhofs gesehen worden   –, ließ ihnen ein junger Mann aus Tansania einen anonymen Tipp zukommen, der den Verdacht auf einen Mitstudenten aus dem Kongo lenkte.
     
    Taylors Mission in Athen war bei weitem nicht so gefährlich wie Mbanes Einsatz in Taschkent. Mit der für Frank Hoffman bestimmten Sprengstofftasche im Handgepäck landete er am Vormittag auf dem Athener Flughafen, wo er genauso wenig kontrolliert wurde wie vor dem Abflug in Istanbul. Er sah eben nicht aus wie ein Sprengstoffkurier. Vom Flughafen aus begab er sich ohne Umwege zu dem am Fuß des Lykabettos-Berges gelegenen Haus, in dem Frank Hoffman wohnte. Als er mit der Sprengstofftaschein der Hand an der Tür klingelte, ging er eigentlich davon aus, dass er bereits erwartet wurde. Schließlich hatte er Marjorie in Rockville gebeten, Hoffman von seinem Besuch telefonisch in Kenntnis zu setzen. Aber er hatte sich getäuscht.
    «Wer zum Teufel sind denn Sie?», fragte Hoffman, als er die Tür öffnete. Er war unrasiert und erinnerte Taylor in seinem Morgenmantel aus schwarzer Seide an einen leicht derangierten Profi-Catcher.
    «Ich bin William Goode», sagte Taylor.
    «Tatsächlich?», fragte Hofman und musterte ihn von Kopf bis Fuß. «Was wollen Sie von mir?»
    «Hat Ihnen denn niemand gesagt, dass ich komme?»
    «Nein», erwiderte Hoffman und machte Anstalten, Taylor die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
    «Die hätten Sie doch anrufen sollen.»
    «Wer denn?»
    «Stones Leute.»
    «Blödsinn.»
    «Nein, wirklich.»
    Hoffman kniff ein Auge zu. Dieser Mann gefiel ihm nicht. Zu glatt, zu gut aussehend. «Blödsinn», sagte er noch einmal.
    «Sie können mich mal», erwiderte Taylor. «Und jetzt lassen Sie mich rein, verdammt nochmal!»
    Das gefiel Hoffman schon ein bisschen besser. «Wer schickt Sie gleich nochmal?»
    «Stone, wie

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