Das Netzwerk
einen Blick auf die Uhr.
«Ich will darauf hinaus, dass in der Sowjetunion nichts sicher ist, was die CIA einmal angefasst hat. Absolut gar nichts. In der Botschaft dort gibt es keine sicheren Gespräche, nicht einmal in eigentlich abhörsicheren Räumen wie der Taucherglocke oder dem Keller. Der KGB hat alles durchdrungen, uns im wahrsten Sinne des Wortes untergraben. In der Tschaikowsky-Straße gibt es ein ganzes Netzwerk aus Tunneln, von dort aus leiten sie Kabel durch Zwischenwände ins Gebäude und statten sie mit Wanzen und winzigen Überwachungskameras aus. Außerdem zapfen sie die Schutzleitungen im Keller an und fangen so einen Großteil der elektronischen Sendesignale im Gebäude ab. Und anhand der Geräusche von elektrischen Schreib- und Chiffriermaschinen … wohlgemerkt, nur anhand der Geräusche … können sie sogar die meisten Geheimbotschaften rekonstruieren, die empfangen oder versandt werden. Hierzulande hält man die Russen für Schwachköpfe, die ständig zu viel trinken und schlechtsitzende Anzüge tragen, aber in ihrer Überwachungstätigkeit sind sie weltweit unübertroffen. Ich sage Ihnen also noch einmal: Nichts ist sicher.»
«Gut», sagte Anna. «Was haben Sie mir sonst noch zu sagen?»
«Vermutlich werden Sie als Touristin reisen, mit einem ganz normalen Touristenvisum. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Sie noch sauber sind oder ob die Sowjets bereits darüber Bescheidwissen, dass eine Frau mit Ihrem Namen und Ihrer Ausweisnummer für den Geheimdienst arbeitet. Bei all dem Aufruhr und dem regen Nachrichtenverkehr der letzten Zeit ist das durchaus möglich, genauso gut kann es aber sein, dass alles in Ordnung ist. Und Sie sind ja offenbar bereit, dieses Risiko einzugehen.»
«Ja», bestätigte Anna.
«Ich muss Sie noch auf die zeitliche Komponente hinweisen. Das sowjetische Konsulat braucht normalerweise etwa zwei Wochen, um ein Touristenvisum auszustellen. Wenn Sie sofort eins beantragen und es keine weiteren Probleme gibt, bleibt Ihnen gerade noch Zeit genug, nach Eriwan zu reisen und Ihren Freund zu warnen. Sie müssen also rasch handeln. Die Sowjets verlangen drei Fotos, einen kurzen formlosen Antrag und eine Kopie Ihres Reisepasses. Außerdem werden Sie eine Pauschalreise über Intourist buchen müssen. Glücklicherweise reisen jeden Monat ganze Flugzeugladungen von Touristen nach Armenien. Halb Fresno war schon in Eriwan, es dürfte also nicht allzu schwierig werden.»
«Und was noch?» Anna gab sich keine Mühe mehr, so zu tun, als wüsste sie immer noch nicht, wovon Stone redete.
«Sie sollten sämtliche Formalitäten dem Reisebüro überlassen, wie man das als Tourist so macht, dann laufen Sie auch nicht Gefahr, sich im sowjetischen Konsulat irgendwie zu verplappern. Vermutlich stellt man Ihnen das Visum erst einen Tag vor der Abreise aus, das gehört zu den kindischen Angewohnheiten der Russen. Sie scheinen zu glauben, dass so etwas die Besucher nervös macht und sie dadurch handzahmer werden. Sobald Sie Ihr Visum haben, brechen Sie einfach auf. Es dauert sicher ein paar Tage, bis der Geheimdienst überhaupt merkt, dass Sie fort sind, bis dahin haben Sie das Schlimmste schon überstanden. Oder Sie stecken mittendrin im Schlamassel.»
«Weiter», sagte Anna, die inzwischen einen Kugelschreiber gezückt hatte und sich eifrig Notizen machte. «Reden Sie weiter.»
«Machen Sie sich Ihre Tarnung so zu eigen, als wären Sie damit zur Welt gekommen. In allen Lebenslagen sind Sie an allererster Stelle Touristin. Sie sind keine Agentin, Sie hatten nie mit Agenten zu tun und wissen nicht einmal, wie die aussehen. Tun Sie nichts, absolut gar nichts, was jemanden auf die Idee bringen könnte, Sie würden das entsprechende Handwerk beherrschen. Versuchen Sie niemals herauszufinden, ob Sie beobachtet werden, auch nicht mit all den schlauen, unauffälligen Techniken, die man Ihnen während der Ausbildung beigebracht hat. Suchen Sie nicht in Schaufenstern nach Spiegelbildern. Drehen Sie nie den Kopf, wenn Sie sich eine Zigarette anzünden, um ganz nebenbei zu sehen, wer hinter Ihnen ist. Und vermeiden Sie um Gottes willen sämtliche Tricks, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Wechseln Sie nie grundlos das Taxi oder den Bus. Fahren Sie niemals grundlos in die Gegenrichtung, wenn Sie mit der U-Bahn unterwegs sind. Legen Sie niemals den Telefonhörer neben die Gabel, und lassen Sie auch nicht den Wasserhahn laufen, wenn Sie sich mit jemandem unterhalten.»
«Langsam.» Anna kam kaum
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