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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Golfplatz.
    «Was soll das heißen – ‹zielorientiertes Management›?»
    «Das steht doch alles in dem Memorandum», erwiderte Timmons.
    «Ich habe es gelesen, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ernst gemeint ist.»
    «Ist es aber. Ich brauche Ihre Liste in spätestens einer Woche.»
    Taylor stöhnte leise auf. «Woher hat Hinkle bloß solche albernen Ideen?»
    «Vom Präsidenten.»
    «Wie beruhigend. Vielleicht habe ich doch meinen Beruf verfehlt.»
    «Schon möglich», sagte Timmons. «Ach, übrigens, vergessen Sie mir die Bulgaren nicht.»
    «Ich bin dran, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich was finden werde.»
    «Strengen Sie sich an. Das Weiße Haus ist nach wie vor davon überzeugt, dass die Bulgaren illegal Waffen in die Türkei liefern. Und jetzt brauchen wir Beweise dafür.»
    «Woher hat denn das Weiße Haus seine Informationen?»
    «Von den Rumänen? Oder den Franzosen? Was weiß ich? Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage.»
    Taylor wollte noch «Scheiß auf das Weiße Haus» erwidern, aber Timmons hatte bereits aufgehängt. So legte auch Taylor den Hörer zurück auf die Gabel und nahm noch einmal die «Zielorientiertes Management»-Direktive zur Hand. Er schlug sie wahllos auf und las den ersten Absatz, der ihm ins Auge fiel. «Wer besser als die Konkurrenz sein will, muss intelligent handeln, und intelligent handeln kann nur der, der nicht immer wieder dieselben Fehler macht. Fehler erzeugen negatives Feedback und verhindern zielorientiertes Arbeiten!»
    «So ein Arschloch», murmelte Taylor und zeigte dem Memorandum den Stinkefinger. Es war eine kindische Geste, doch ein Teil von Taylor steckte gewissermaßen immer noch in der Pubertät. Er gehörte zu den Leuten, deren Moralvorstellungen nicht allzu weit über die Überzeugung hinausgekommen waren, dass Vorschriften etwas Schlechtes sind und alle Menschen im Grunde nur das tun sollten, was ihnen guttut.
    «Alan, da ist ein Anruf für Sie», rief seine Sekretärin durch die angelehnte Tür. Taylor bestand darauf, dass man sich im Büromit dem Vornamen ansprach. Es gehörte zu den vielen Dinge, die ihn bei der CIA zunehmend beunruhigten, dass man dort in letzter Zeit angefangen hatte, sich wie im Außenministerium mit dem Nachnamen anzureden.
    «Wer ist denn dran?»
    «Das wollte er mir nicht sagen.»
    Der Glückliche, dachte Taylor. Offenbar jemand, der nach seinen eigenen Regeln spielen kann.
     
    5  Der Anrufer, ein türkischer Geheimdienstmitarbeiter namens Serif Osman, leitete das Istanbuler Büro des Milli Istihbarat Teskilati, des Nationalen Türkischen Geheimdienstes. Die Amerikaner verwendeten dafür gern die Abkürzung TNIO, die für «Turkish National Intelligence Organization» stand, ebenso wie sie die türkische Regierung mit GOT, «Government of Turkey» abkürzten, aber Taylor blieb unbeirrt bei der türkischen Abkürzung MIT. Seit einem Jahr versuchte er, sich Serif, der sein wichtigster Verbindungsmann in Istanbul war, warmzuhalten – wobei «warmhalten» streng genommen nicht das richtige Wort dafür war: Genau genommen hatte Taylor den MI T-Mann zwei Mal zum Essen eingeladen und dabei versucht, ihn betrunken zu machen, einmal mit und einmal ohne Erfolg.
    Der Türke wollte sich mit Taylor auf einen Kaffee treffen, und Taylor schlug das Hilton am Taksim-Platz vor, gut anderthalb Kilometer vom Hauptquartier des MIT in Besiktas entfernt. Als Serif ihn daraufhin bat, das Treffen lieber in einem einfacheren und weniger auffälligen Hotel abzuhalten, war Taylors Neugier geweckt. Er benachrichtigte seinen Fahrer und machte sich ein paar Minuten später in einem konsulatseigenen Chevrolet mitschusssicheren Scheiben auf den Weg. Er war froh, seinem Büro eine Zeit lang entrinnen zu können.
    Serif erwartete ihn in der Hotelhalle. Er war ein kräftig gebauter Mann mit hohen Wangenknochen und einem sauber gestutzten Kinnbart, und wie bei vielen türkischen Männern war auch seine Mimik nicht gerade abwechslungsreich. Serifs extremste Gefühlsregung bestand darin, die Augen zusammenzukneifen, wenn ihm etwas nicht passte, ansonsten blieb sein Gesicht praktisch ausdruckslos. Auch jetzt blinzelte er Taylor lediglich kurz an, als dieser ihm zur Begrüßung mit einem warmen Lächeln die Hand reichte.
    Taylor hatte schon bald nach seiner Ankunft in Istanbul festgestellt, dass die Türken ein seltsames Volk waren: kompliziert und schwierig, wie ihre Sprache. Sie machten keine Witze und lachten nur selten. Mit

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