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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Fremden sprachen sie fast nie. Sie leisteten ihren Beitrag zur NATO, argwöhnten aber immer, dass man sie dort übers Ohr hauen wollte.
    In der CIA galten türkische Geheimdienstler im Allgemeinen als praktisch nicht rekrutierbar. Taylor hatte das anfangs nicht glauben wollen, aber nach ein paar Monaten in der Türkei verstand er, warum man das sagte. Die Türken boten einfach keine Schwachstellen, wo man den Hebel hätte ansetzen können, sie hatten weder Ecken noch Kanten noch irgendwelche geheimen Wünsche. Sie waren keine Söldner, weshalb man sie auch mit Geld nicht ködern konnte, und sie dachten nicht um mehrere Ecken wie die Araber, die jeden Verrat rational begründen konnten. Eines allerdings waren sie, nämlich glühende Patrioten. Wenn man etwas von einem Türken wollte, hatte man also im Grunde nur eine Chance: Man musste ihn davon überzeugen, dass es zum Besten der Türkei war.
     
    Serif schwieg, bis sie an einem Tisch in der hintersten Ecke des Cafés saßen.
    «Ich habe etwas für Sie», verkündete er feierlich. Trotz seiner ernsten Miene wirkte er sehr zufrieden mit sich. «Etwas, das wir selber nicht verwenden können.»
    «Und das wäre?»
    «Kennen Sie Kunajew?»
    «Natürlich», antwortete Taylor. Kunajew war der sowjetische Generalkonsul und ein durchaus interessanter Mann. Sein Cousin war Oberster Parteisekretär in Kasachstan und seine Frau eine bildhübsche Blondine aus Wilnius.
    «Er ist heute Vormittag auf den Antiquitäten-Basar in Horhor gegangen und hat sich dort nach antiken Möbeln umgesehen   …» Serif machte eine Pause, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen.
    «…   und er hat auch etwas gefunden, das ihm gefallen hat.» Serif räusperte sich. «Einen alten Stuhl aus der osmanischen Zeit.»
    Taylor sah ihn verständnislos an. Was sollte das denn?
    «Einen Stuhl?», fragte er matt.
    «Ja», erwiderte der Türke. «Einen sehr alten Stuhl. Kunajew bat den Ladenbesitzer, ihm den Stuhl zu reservieren und ihn noch ein wenig zu säubern. Ein halber Kasache, dieser Kunajew. Aus Alma-Ata. Wir vermuten, dass er morgen wieder in das Geschäft gehen und den Stuhl kaufen wird. Vielleicht will er ihn ja in sein Büro stellen.»
    «Großer Gott!», sagte Taylor. Jetzt erst begriff er. Was Serif ihm hier so feierlich präsentierte, war eine jener seltenen Gelegenheiten, von denen man als unterbeschäftigter Bürochef der CIA normalerweise nur träumen konnte: Der Gegner macht einen Fehler und gibt einem damit Gelegenheit zu einemschlauen Schachzug. Beispielsweise einen antiken Stuhl mit einer Wanze zu versehen. Taylor fiel auf die Schnelle kein besserer Kommentar ein als: «Sie wollen mich aber jetzt nicht verarschen?»
    Serif schwieg peinlich berührt. Wie den meisten seiner Landsleute war auch ihm eine vulgäre Ausdrucksweise zuwider.
    «Wie sind Sie denn an diese Information gekommen?», fragte Taylor.
    «Der Besitzer des Ladens nebenan hat sie uns zugetragen. Er ist Tscherkesse und verabscheut die Russen.»
    «Und warum geben Sie das an mich weiter?»
    «Wie gesagt, weil wir nichts damit anfangen können», sagte der MI T-Mann . «Wir schaffen es rein technisch nicht, in dieser kurzen Zeit eine Wanze anzubringen, ohne dass sie leicht entdeckt werden kann. Und weil wir keinen Ärger mit den Sowjets haben wollen, lassen wir auch lieber die Finger davon. Andererseits wäre es aber auch schade, sich so eine Gelegenheit entgehen zu lassen.»
    «Da haben Sie recht», sagte Taylor. «Das wäre wirklich jammerschade.»
    Er dachte einen Augenblick nach. Eine Wanze unbemerkt in einem Möbelstück unterzubringen, war auch für die CIA nicht so leicht, wie Serif sich das offenbar vorstellte. Und dann gab es ja auch noch die Möglichkeit, dass das Ganze eine Falle war. «Weiß Ankara, dass Sie mit mir reden?»
    «Natürlich!», erwiderte Serif entrüstet. «Wie kommen Sie darauf, dass ich so etwas hinter dem Rücken meiner Vorgesetzten machen würde?»
    «War ja nur eine Frage.»
    «Diese Information ist ein offizielles Geschenk von uns an Sie.»
    «Und wir sind Ihnen sehr dankbar dafür», sagte Taylor und legte die rechte Hand aufs Herz.
    «Eine Bedingung gibt es allerdings.» Serif kehrte zu dem feierlichen Ton zurück, den er zu Beginn des Gesprächs angeschlagen hatte. «Wir würden uns wünschen, dass Sie uns die aus dieser Operation gewonnenen Erkenntnisse zur Verfügung stellen. Andernfalls kommen wir nicht ins Geschäft.»
    «Das dürfte eigentlich kein Problem sein», sagte Taylor,

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