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vier, und das Antiquitätengeschäft würde am nächsten Morgen um acht Uhr wieder öffnen. Falls irgendwem in den oberen Etagen Taylors Vorhaben nicht gefiel, blieben ihnen damit noch ein paar Stunden Zeit, die Sache notfalls wieder abzublasen.
Taylor hatte Glück, denn George Trumbo war an seinemPlatz, als die Nachricht in Athen ankam, und sogar noch rechtzeitig dran, um den letzten Linienflug von Athen nach Istanbul zu erwischen. Und um die Glückssträhne vollkommen zu machen, war George auch noch nüchtern.
George Trumbo war ein technisches Genie auf dem Gebiet der elektronischen Überwachung, und sein Ausnahmetalent war bei der CIA eigentlich vergeudet. Mit demselben Stolz, mit dem ein Theaterkartenverkäufer am Broadway verkündet, dass es im Prinzip keine ausverkauften Vorstellungen gibt, behauptete George, dass im Prinzip jedes Gespräch abgehört werden konnte, und bisher war er noch keinen Beweis dafür schuldig geblieben. Die CIA stationierte Leute wie ihn gerne in zentral gelegenen Städten wie London, Rom, Athen, Bangkok oder Hongkong, von wo aus sie in einer größeren Region eingesetzt werden konnten. Ein Großteil von ihnen ging früher oder später vor die Hunde, weil es in ihrem hochspezialisierten Einsatzgebiet fast immer zu wenige Aufgaben, dafür aber in den Städten, in denen sie sich vorwiegend aufhielten, viel zu viele Bars gab.
Zu dieser Gruppe gehörte auch George, und das war mit ein Grund, weshalb Taylor ihn so mochte. Er hatte es längst aufgegeben, Dinge im Leben ernst zu nehmen, die in Wahrheit gar nicht so ernst waren. George war ein kräftiger, freundlicher Mann, ein früherer Footballspieler, den die CIA Mitte der Sechziger angeheuert hatte, nachdem seine sportliche Karriere an einem katholischen College im Mittleren Westen wegen einer Knieverletzung zu Ende gegangen war. Weil er sich nebenbei schon immer für Elektronik interessiert hatte, ließ er sich in Langley auf diesem Gebiet noch weiter ausbilden. In der CIA bezeichnete man Leute wie ihn oft abschätzig als «Arbeitsschimpansen», weil sie mit affenartigem Geschick die «manuellen» Aufgaben wie das Installieren von Wanzen erledigten oder paramilitärischeAktionen durchführten. Und irgendwie wirkte George auch tatsächlich wie ein großer Menschenaffe, wenn er nicht gerade an einem elektronischen Gerät herumbastelte; dann wirkte er, solange er nicht sturzbesoffen war, wie ein Genie.
Taylor mochte ihn, aber Taylor mochte eigentlich jeden, der sich nicht als inkompetent oder nervtötend langweilig herausstellte. Auch diese Eigenschaft gehörte zu einem geborenen Rekrutierer. Er nannte George «Georgie», und der Elektroniker nannte ihn «Al», und gemeinsam hatten sie schon diverse Wohnungen aufgebrochen und etliche Telefonhörer mit Wanzen versehen.
Die nächsten paar Stunden vergingen für Taylor wie im Flug. Er ließ sich von den Türken zwei Agenten zur Unterstützung abstellen und fuhr mit ihnen nach Horhor auf den Basar, um sich vor Ort umzusehen. Zurück im Konsulat, schickte er Timmons und der Zentrale eine zweite Mitteilung, in der er noch deutlicher darauf hinwies, dass Kunajew möglicherweise beim KGB war. Er betonte abermals, dass es ihm unmöglich sei, die Erlaubnis für die geplante Aktion auf dem normalen Dienstweg einzuholen, und spielte sogar auf die Möglichkeit an, dass Kunajew etwas mit aus Bulgarien in die Türkei geschmuggelten Waffen zu tun haben könnte. Die Nachricht unterzeichnete er mit seinem Decknamen Amos B. Garrett und schickte sie ab, bevor er zum Flughafen fuhr, um George abzuholen.
«Du Scheißkerl!», rief George, als er Taylor sah, so laut, dass sich mehrere Türken nach ihnen umdrehten. «Gerade heute Abend hatte ich ein Rendezvous. Ich hoffe für dich, dass diese Sache wirklich wichtig ist.»
«Ist sie», versicherte Taylor und legte den Finger auf die Lippen.
«So wichtig wie letztes Mal?» Georges Stimme blieb unvermindert laut.
«Halt die Klappe», sagte Taylor. «Oder sprich wenigstens leiser.»
«Letztes Mal war ein echtes Desaster», sagte George und senkte dabei etwas die Stimme. «Die ganze schöne Arbeit, und was bleibt am Ende? Nichts als heiße Luft …»
Das war in diesem Fall ganz wörtlich zu nehmen. Das letzte Mal, als George für Taylor tätig gewesen war, hatte er ein winziges Mikrophon im Lauf einer antiken, osmanischen Duellpistole versteckt, die ein türkischer Geschäftsmann anschließend in Taylors Auftrag dem bulgarischen Militärattaché in
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