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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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auf keinen Fall gehören wollte. Als es auf Mitternacht zuging, bestellte er George allerdings einen extragroßen Mokka, den der Techniker pflichtbewusst trank.
    «Und jetzt, mein lieber Georgie», sagte Taylor, «lass uns einpaar Antiquitäten ansehen.» George war in Schweigen versunken – ein Künstler, dessen Auftritt unmittelbar bevorstand.
     
    Die Horhorstraße befand sich in Fatih, einem rasch wachsenden Stadtviertel am Rand der Altstadt voller billiger Wohnsilos und schlecht beleuchteter Werkstätten. Taylor kannte die Gegend recht gut, weil sie in den vergangenen Jahren ein Sammelplatz für iranische Emigranten und damit die Heimat mehrerer seiner Agenten geworden war. Er parkte den Wagen ein paar Straßen vom Bit-Basar entfernt und legte das letzte Stück zusammen mit dem schweigenden George zu Fuß zurück.
    Trotz seiner demonstrativen guten Laune war Taylor doch ziemlich nervös, während er neben George langsam an mehreren dunklen Wohnblocks vorbeiging. Er verspürte ein Kribbeln im Bauch, das sich anfühlte, als würden ein paar Stricknadeln ohne Wolle aneinanderklappern.
    Als sie sich dem Ende der Straße näherten, bog Taylor in eine schmale, unbeleuchtete Gasse ab, die Kirik-Tulumba-Straße, wo Hassan und Hamid, seine beiden türkischen Hilfsagenten, bereits rauchend an einer Hauswand lehnten und auf sie warteten. Hinter ihnen befand sich der Antiquitätenbasar.
    «Ist das hier?», fragte George skeptisch und deutete auf das moderne, fünfstöckige Gebäude.
    Taylor nickte. George stellte sich einen Basar vermutlich als ein verwinkeltes Labyrinth kleiner, düsterer Ladenlokale vor, und das hier war ein sauberer Neubau mit Aufzügen, Sicherheitsschlössern und einem Nachtwächter. Als vor einigen Jahren der alte Antiquitätenbasar in Kuledibi abgerissen worden war, hatten sich die meisten Antiquitätenhändlern hier eine neue Bleibe gesucht.
    Die Türken drückten ihre Zigaretten aus, und Taylor flüstertedem jüngeren etwas ins Ohr. Der Mann verschwand in den Schatten neben dem Gebäude, und als er nach ein paar Minuten zurückkam, gab er Taylor ein Zeichen, dass die Luft rein sei.
    «Hamid», flüsterte Taylor dem älteren Türken zu.
    «Ich bin Hassan.»
    «Wie auch immer. Sind Sie bereit?»
    Der Türke nickte.
    «Dann mal los.»
    Der Türke machte sich auf den Weg zum Haupteingang des Gebäudes. Er war der Lockvogel für den Nachtwächter, den er irgendwie ablenken sollte. Ganz gleich, ob er ihn nun in ein Gespräch verwickelte, sich von ihm zum Tee einladen ließ, ihn mit Whiskey abfüllte, ihn bestach oder ihn als letzten Ausweg mit Gewalt außer Gefecht setzte, er musste den anderen irgendwie eine halbe Stunde verschaffen, um unbemerkt in das Antiquitätengeschäft zu gelangen. Taylor wartete, bis Hassan die Eingangstür erreicht hatte, dann folgte er zusammen mit George Hamid in die Seitengasse. Alles war still bis auf die leisen Klänge arabischer Musik, die aus einem der umliegenden Häuser kam.
    Hamid knipste eine kleine Taschenlampe an und richtete sie auf die Hauswand. In ihrem schwachen Licht konnte Taylor eine Strickleiter erkennen, die aus einem offenen Fenster im ersten Stock hing. Hamid hatte die Hauptarbeit für einen unbemerkten Einbruch bereits erledigt und Taylor und George den Weg bereitet.
    Taylor kletterte als Erster die Strickleiter hinauf, wobei er langsam und vorsichtig von Sprosse zu Sprosse stieg. Die Leiter schwankte und schlug dabei gegen die Betonwand des Gebäudes, was zum Glück nur ein leises Geräusch verursachte. Als er den Fensterrahmen erreicht hatte, hielt Taylor inne und streckte den Kopf in ein düsteres Treppenhaus, wo nur ein schwachesLicht von unten heraufschien. Er kletterte hinein und ließ sich vom Fensterbrett auf den Boden hinab. George folgte ihm erstaunlich geschickt, und als Letzter kletterte Hamid hinauf. Als der Türke im Haus war, zog er die Strickleiter hoch, legte sie auf den gekachelten Fußboden und schloss das Fenster.
    Taylor zog einen Plan des Gebäudes aus der Tasche. Der Laden, in dem der Stuhl stand, hieß Oczan Is und befand sich etwa zwanzig Meter weiter am Ende eines Ganges. Die Eingangstür war aus Stahl und hatte zwei moderne Sicherheitsschlösser. Vom Treppenhaus her drangen leise Stimmen herauf. Taylor erstarrte und entspannte sich erst wieder, als er eine davon als Hassans Stimme erkannte.
    George zog ein kleines Etui aus der Tasche, das aussah wie ein Necessaire zur Nagelpflege. Es enthielt zweiunddreißig verschiedene

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