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Bangkok.»
«Vertrau mir», sagte Taylor. «Im Vergleich mit Istanbul geht es in Bangkok direkt sittenstreng zu.»
7 Am späten Nachmittag flatterte Edward Stone in Washington eine Kopie von Taylors Bericht über die Aktion in der Horhorstraße auf den Schreibtisch. Streng genommen hätte er sie gar nicht bekommen dürfen, denn er gehörte nicht zu der Kette von Divisions- und Stabschefs und anderen Offiziellen, für die solche Nachrichten bestimmt waren.
Aber er hatte Freunde. Und einer von ihnen, Harry Peltz, ein quirliger, kleiner Wirbelwind von einem Mann, kam in Stones Büro getrippelt, als dieser gerade zu einer der vielen Abschiedspartys aufbrechen wollte, die es in letzter Zeit in der Abteilung gab. Peltz, der vor dreißig Jahren zusammen mit Stone in Berlin im Einsatz gewesen war, besetzte inzwischen einen Versorgungsposten in der Europaabteilung.
Stone war jedes Mal von neuem verblüfft, wenn jemand bei ihm vorbeischaute, selbst wenn es sich um einen häufigen Besucher wie Harry Peltz handelte. Denn auf seine Weise versuchte Stone, sich unsichtbar zu machen. Sein kleines, schmucklosesBüro befand sich weit weg vom geschäftigen Treiben des siebten Stocks, wo der CI A-Direktor Hinkle mit seinem Tross von Assistenten residierte. Es war wie einer jener Londoner Clubs ohne Türschild, die man nur dann fand, wenn man genau wusste, wo sie waren. Als er aus dem großen Büro, das ihm als Chef der Nahostabteilung zustand, in dieses winzige Kabuff umgezogen war, hatte er nur einen einzigen Gegenstand mitgenommen, einen gerahmten Spruch aus Nietzsches
Jenseits von Gut und Böse
: «Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.»
«Störe ich?», fragte Peltz.
«Nein, überhaupt nicht», erwiderte Stone. «Ich wollte nur gerade los zu Cranes Abschiedsfeier.»
«Ich habe da was, das dir gefallen könnte.» Peltz zwinkerte ihm zu, dann trat er ins Büro, schloss die Tür hinter sich und reichte Stone die Nachricht aus Istanbul. Stone überflog sie und fragte mit einem Lächeln: «Und warum sollte ich mich für so eine alberne Aktion interessieren?»
«Weil sie Unternehmungsgeist beweist.»
«Mag sein. Auf jeden Fall scheint da jemand seinen Spaß gehabt zu haben. Wer ist denn dieser Amos B. Garret?»
«Ein netter Jungspund namens Alan Taylor. Obwohl er streng genommen gar kein Jungspund mehr ist. Er wird bald vierzig.»
«Für mich ist das immer noch ein Jungspund», sagte Stone und gab Peltz die Mitteilung zurück. «Ich wette Dollars gegen Doughnuts, dass diese kleine Aktion so gut wie nichts bringen wird. Lohnt es sich eigentlich überhaupt noch, Dollars gegen Doughnuts zu verwetten?»
«Bei billigen Doughnuts schon.»
«Halt mich über die Sache auf dem Laufenden, ja?»
«Gerne, solange ich noch hier bin.»
Stone schüttelte den Kopf. «Sag bloß, du stehst jetzt auch auf der Abschussliste.»
«Nach allem, was ich höre, ja.»
«Das tut mir leid. Vielleicht kann ich ja noch was für dich tun. Allerdings gelten meine Vorschläge oben in der Chefetage auch nicht mehr so viel wie früher.»
«Vergiss es», sagte Peltz. «Wer will schon für diese Arschlöcher arbeiten?»
Stone schüttelte abermals den Kopf und schaute auf die Uhr. «Entschuldige, aber ich muss jetzt wirklich zu Cranes Feier. Warum kommst du nicht auch mit? Wir könnten ein Glas auf Hinkle trinken.»
«Auf keinen Fall», antwortete Peltz. «Ich habe im letzten halben Jahr schon viel zu viele Abschiedsfeiern mitgemacht. Und wenn ich Hinkle über den Weg laufe, hau ich ihm am Ende noch eine in die Fresse. Wo geht ihr denn nachher noch hin?»
«Keine Ahnung», sagte Stone. «Ich schätze mal, ins Oak Hill Inn. Irgendwie enden doch all diese Partys immer da.»
«Dann sehen wir uns vielleicht später noch», sagte Peltz. Er verließ Stones Büro und ging mit der Mitteilung in der Hand langsam zurück in Richtung Operationszentrale.
Die Abschiedsfeier für Alton Crane, der nach fünfundzwanzig Jahren Dienstzeit in den Ruhestand ging, fand im Speisesaal für die Leitenden Angestellten im siebten Stock statt, nur ein paar Türen vom Büro des CI A-Direktors entfernt. Mit von der Partie waren Cranes an der Schwelle zur Alkoholikerin stehende Frau sowie seine beiden Söhne, einer mit langen Haaren und Bart, der «was mit Holz» machte, der andere mit kurzer Föhnfrisur und zuständig für das Aktiengeschäft der familieneigenen Firma. In all ihrer schäbigen Eleganz waren die Cranes der
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