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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Inbegriffeiner typischen, gutbetuchten Washingtoner Familie. Die Gäste legten allesamt eine ziemlich gezwungene gute Laune an den Tag und unterhielten sich darüber, was für eine erfüllte Dienstzeit Alton doch gehabt habe und wie sehr er sich jetzt darauf freuen müsse, endlich Zeit zum Segeln oder zum Angeln oder für irgendwelche anderen Hobbys zu haben. Doch eigentlich wussten sie alle, dass man Crane in Wahrheit vor die Tür gesetzt hatte.
    Hinkle schaute nur kurz vorbei, dankte Crane für seine langjährigen, treuen Dienste und überreichte ihm einen jener CI A-Orden , die man auch frisch angekommenen Überläufern vom KGB verleiht, damit sie sich angenommen und wichtig fühlen. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, die Gäste einzeln zu begrüßen, und verschwand schon nach ein paar Minuten wieder in seinem Büro. Irgendwie schien der neue Direktor doch zu merken, dass ihn keiner der Anwesenden sonderlich mochte. So viel Gespür besaß er immerhin.
    Stone ließ den Blick durch den Raum wandern und betrachtete dieses Tableau einer Generation auf dem Rückzug. In einer Ecke stand eine Gruppe alter China-Experten, die jahrzehntelang vergeblich gegen Maos undurchdringliche Mauer angerannt waren, nur um zu Beginn der Siebziger mit ansehen zu müssen, wie sie sich plötzlich ganz von selbst für Amerika öffnete. Sie konnten bis heute nicht begreifen, dass die Vereinigten Staaten jetzt gemeinsame Geheimdienstoperationen mit Peking durchführten. Neben ihnen standen die traurigen Überreste der einstmals so mächtigen Südostasienabteilung. Man sah ihnen an, dass sie noch immer an die Agenten dachten, die sie im Chaos des Rückzugs auf den Hügeln von Laos oder in den Straßen von Saigon zurücklassen mussten. In einer anderen Ecke entdeckte Stone die Arabisten, die ihre ganzeberufliche Laufbahn hindurch vergeblich versucht hatten, den brisantesten Konflikt der Welt im Zaum zu halten, und dabei nach und nach die durchtriebene Höflichkeit ihrer einheimischen Agenten in Beirut oder Kairo übernommen hatten, und in der Mitte des Raumes stand wie das Zentrum all dieser diskreditierten Fraktionen die Russland-Riege, als deren Mitglied man froh sein konnte, wenn man es bis zur Pensionierung schaffte, ohne der Doppelspionage bezichtigt worden zu sein. So viel Begabung, dachte Stone, so viele glänzende Karrieren, die nun, in Zeiten des Kalten Krieges, untätig auf der Stelle treten mussten.
    Nur einer schien sich auf dieser Feier wirklich wohlzufühlen, und das war Crane selbst. Er hatte bereits mehrere Martinis intus und betrachtete es offensichtlich als seine Aufgabe, all die traurigen Gestalten aufzuheitern, die eigentlich gekommen waren, um ihm Trost zu spenden. Crane wirkte zutiefst erleichtert darüber, dass seine Dienstzeit endlich vorbei war. Als Hinkle den Raum wieder verlassen hatte, trat Stone auf ihn zu.
    «Gratuliere», sagte er.
    «Wozu?», fragte Crane.
    «Zum Orden.»
    «Hör schon auf. Soll ich dir mal was sagen? Ich kann es kaum erwarten, von hier weg zu sein. Ihr armen Kerle tut mir wirklich leid. Ihr müsst noch weiter die Fassade aufrechterhalten, aber ich brauche das ab heute nicht mehr. Ich habe meine Arbeit getan.
La guerre est finie
.» Sein Lächeln ließ seine Worte fast glaubhaft wirken.
    «Du warst ein guter Agent, Alton», sagte Stone, so wie alle anderen, obwohl er sich nur undeutlich daran erinnern konnte, was Crane eigentlich genau gemacht hatte. Er war in Deutschland gewesen, wie sie alle, danach in Mexico City, Manila undRom. Keine großen Triumphe, keine gravierenden Flops. Vielleicht war er ja tatsächlich gut gewesen.
    «Hast du schon von den Anwälten gehört?», fragte Crane, immer noch lächelnd.
    «Was denn für Anwälte?»
    «Noch so ein neues Edikt von Hinkle, das er gerade heute verkündet hat. Er will jedem größeren Büro in Europa einen Anwalt zuweisen, damit er Aufpasser vor Ort hat, die direkt Krach schlagen können, wenn jemand ohne zu fragen kreativ wird.»
    «Ich wollte früher einmal Anwalt werden», erwiderte Stone. «Vielleicht hätte ich das doch tun sollen.»
    «Unsinn», sagte Crane. «Du hättest einen lausigen Anwalt abgegeben, glaube mir. Und hier bei der CIA bist du doch praktisch unkündbar. Du bist der letzte der alten Knaben. Die da oben brauchen dich.»
    Stone ließ seinen Blick über das kleine Häuflein aus Ehemaligen und Übriggebliebenen schweifen. «Wozu sollten die mich denn brauchen?», fragte er.
    Crane lachte. «Ihr armen Schweine tut mir wirklich

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