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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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usbekischen Gästen um. Ganz offensichtlich wollte er George damit ein Zeichen geben, sie in Ruhe zu lassen.
    «Interessant.» George beugte sich über den Tisch. «Was für Filme denn?»
    «Im Augenblick arbeite ich an einem Dokumentarfilm über Flüchtlinge aus der Sowjetunion.»
    «Echt? Super. Das klingt ja richtig gut. Sind die zwei da etwa auch Flüchtlinge?»
    «Ja. Aus Usbekistan.»
    «Hallo, Jungs», sagte George. «Darf ich euch auf einen Drink einladen?» Die Usbeken lächelten und nickten, obwohl sie kein Wort verstanden hatten.
    «Nein, das dürfen Sie nicht», antwortete der Filmemacher gereizt. «Ich muss bald gehen, und ich würde mein Gespräch mit den beiden Herren gerne in Ruhe beenden.»
    «Natürlich. Entschuldigung. Bin ja schon weg. Haben Sie vielleicht eine Visitenkarte?»
    Der Kanadier machte ein nicht allzu freundliches Gesicht, gab George aber seine Karte, um ihn endlich los zu werden. Sie wies ihn als einen gewissen Jack Rawls aus, der für eine Firma namens Filmworks in Vancouver arbeitete.
    «Ich komme aus Ohio», sagte George.
    Den Kanadier interessierte das nicht. «Freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Arschloch», sagte er mit einem dünnen Lächeln und wandte sich wieder den Usbeken zu.
    George ging zurück zu dem Tisch in der Ecke, wo Taylor inzwischen fast die ganze Wodkaflasche geleert hatte.
    «Er ist Kanadier und heißt Jack Rawls», berichtete er. «Zumindest steht das so auf seiner Visitenkarte. Angeblich ist er Filmemacher.» Er gab Taylor die Visitenkarte, und Taylor musterte sie eingehend.
    «Das ist doch Bockmist», sagte er schließlich. «Ein kanadischer Filmemacher in Istanbul? Absurd!»
    «Ganz deiner Meinung.»
    «Wie ist er denn so?»
    «Nicht ganz koscher», erwiderte George. «Klingt etwas seltsam. Aber das liegt vielleicht nur daran, dass er Kanadier ist.»
    «Aus der Branche?»
    «Schon möglich», sagte George. «Irgendwie sieht er so aus, findest du nicht? Aber was will er dann hier?»
    «Keine Ahnung. Aber wenn die von der Zentrale einen NOC in mein Revier einschleusen, sollen sie mir das gefälligst vorher sagen. Ich lass mir doch nicht auf der Nase rumtanzen!»
    «Beruhig dich, Al.»
    «Du kannst mich auch mal kreuzweise», erwiderte Taylor. Er war betrunken und wütend und wollte Stunk machen. In einer ähnlichen Stimmung war er damals vor zwanzig Jahren gewesen, als er mitten am Samstagnachmittag zum Fenster des Schlafsaals geschlendert war und hinausgepinkelt hatte. Rawls war inzwischen aufgestanden und an die Bar gegangen, um seine Rechnung zu begleichen.
    «He, Georgie», sagte Taylor mit leuchtenden Augen. «Wollenwir nicht herausfinden, wo dieser Mr.   Rawls wohnt, wenn er nicht gerade in Vancouver ist?»
    «Wie das denn?»
    «Ganz einfach: Wir folgen ihm.»
    «Und wenn er uns bemerkt?»
    «Wird er schon nicht. Mein Fahrer ist ein Profi.»
    «Aber doch nicht jetzt», flehte George. Jemand hatte das Licht gedimmt, und Sonja würde gleich ihr letztes Set für den Abend singen. Die Band hatte bereits zu spielen begonnen.
    «Doch, genau jetzt», sagte Taylor. «Los, komm schon. Das ist wichtig. Auch für diesen Kanadier. Nachher bringt er sich noch in Schwierigkeiten, weil er sich hier in der Stadt nicht auskennt.»
    Taylor warf einen Blick über die Schulter. Rawls war schon fast an der Tür.
    «Los jetzt, Georgie. Ich mach’s auch sicher wieder gut, versprochen. Schließlich habe ich dich ja auch Sonja vorgestellt, oder nicht?»
    George stöhnte auf, als er den Namen hörte.
    «Bewegung!»
    George war ein Soldat, und so nahm er pflichtbewusst seine Leinentasche und verließ hinter dem leicht schwankenden Taylor das Lokal. An der Tür erhaschte er noch einen letzten Blick auf die Sängerin, die in ihrem Bühnenkostüm sogar noch schöner aussah als zuvor. «Bleib nicht zu lang weg», rief sie und warf ihm eine Kusshand zu.
    Rawls stand bereits am Straßenrand und winkte ein Taxi heran. Taylor wartete im Schatten, bis es losgefahren war, dann stieg er mit George in den Wagen und gab dem Fahrer ein Zeichen, dem Taxi in diskretem Abstand zu folgen.
    Was dann geschah, verstärkte Taylors Verdacht. Rawls ließdas Taxi über die Galatabrücke nach Pera fahren und weiter auf die mehrspurige Straße, die am Goldenen Horn entlangführte. Dort hielt es und ließ ihn aussteigen. Rawls rannte zum Mittelstreifen, kletterte über die Leitplanke und hielt auf der Gegenfahrbahn ein anderes Taxi an, mit dem er in entgegengesetzter Richtung davon fuhr. Der Wagen

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