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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Schlaf.»
    «Wunderbar», erwiderte Taylor, den die Aktion wieder nüchterngemacht hatte. Die Freude über dieses neue, vollkommen illegale Abenteuer war wie ein frischer Wind für ihn. Sie gingen zurück zu ihrem Wagen und weckten den armen Fahrer, der schon wieder eingeschlafen war. Taylor wies ihn an, sie zurück zu Omars Kneipe zu bringen, doch als sie kurz vor fünf dort ankamen, war Sonja bereits nach Hause gegangen, und bis auf den Nachtwächter war niemand mehr im Lokal. Taylor schlug George vor, in einen Club in der asiatischen Hälfte der Stadt zu gehen, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Oder wollte er vielleicht lieber ein Callgirl haben? Taylor kannte eines in Cihangir, das auch am frühen Morgen arbeitete. Doch George winke ab. Er wollte keine andere Frau als Sonja.
    Und außerdem musste er zugeben, dass er langsam ein wenig müde wurde.
     
    Am nächsten Tag flog George nach Athen zurück, obwohl Taylor ihm gesagt hatte, er solle sich richtig ausschlafen und auf Sonja freuen, mit der er ihm für den Abend ein Rendezvous vereinbaren wollte. Doch dann rief schon um elf Uhr vormittags der Bürochef aus Athen an, schlug einen Riesenkrach, weil George ohne seine Einwilligung nach Istanbul geflogen war, und verlangte, dass er augenblicklich zurückkam. Taylor gab die Information an George weiter, ohne zu erwähnen, dass er von Timmons bereits einen ähnlichen Anruf bekommen hatte.
    Es sah alles danach aus, als wäre Taylor in Ungnade gefallen. Offenbar hatte er sich nicht genügend Mühe gegeben, die Sesselfurzer bei Laune zu halten. Und so riet er George, es sei vielleicht besser, das kleine Abenteuer mit dem geheimnisvollen Mr.   Rawls nicht weiter zu erwähnen. Wozu Öl ins Feuer gießen? Schließlich ging das außer sie beide sowieso niemanden etwas an. George stimmte zu und erklärte Taylor, er könne die Sachengern in Rawls’ Haus lassen, wenn er ihm nur irgendwo ein Mikro und einen Rekorder auftreibe, damit seine Ausrüstung wieder vollständig war.
    «Kein Problem», versicherte Taylor. Die kleine Verstimmung wegen Georges nicht ganz offiziellem Besuch in Istanbul würde vorüberziehen wie ein Sommergewitter. Eine Zeit lang würden die Erfinder des zielorientierten Managements vielleicht sauer sein, aber wenn er ihnen erst einmal die Lauschprotokolle aus dem verwanzten Stuhl im sowjetischen Konsulat vorlegte, aus denen dann hoffentlich neue Erkenntnisse über den bulgarischen Waffenschmuggel zu gewinnen waren, würden sie ihn vielleicht sogar für eine Beförderung vorschlagen.
     
    10  Wie sich bald herausstellte, war der antike Stuhl gar nicht für Kunajews Büro gedacht gewesen. Nachdem das Möbelstück drei Tage lang im Keller des Konsulats gestanden hatte, von wo aus es die Geräusche herumflitzender Ratten und Küchenschaben übertrug, wurde es in Kunajews Wohnhaus nach Bebek gebracht, einem direkt am Bosporus gelegenen Vorort Istanbuls. Taylor ließ sich von diesem Umstand nicht aus der Ruhe bringen, denn schließlich musste das noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Operation ein Fehlschlag war. Kunajew schien ein interessanter Mann zu sein, und vielleicht fand man auf diese Weise ja heraus, dass er eine Affäre mit dem Dienstmädchen hatte. Oder – viel besser noch – mit dem Chauffeur.
    Doch leider entpuppte sich Kunajew als wenig spektakulärer Charakter. Der sowjetische Diplomat führte offenbar ein ganz normales, moralisch mehr oder weniger einwandfreies Leben. Er trank gern Whiskey, stritt hin und wieder lautstark mit seinerFrau, und bei seinen Einladungen für die Konsuln anderer Ostblockstaaten, die für Taylor zu den langweiligsten Menschen in Istanbul gehörten, legte er gerne alte Benny-Goodman-Platten auf. Seine aus Litauen stammende Frau hörte zwar bessere Musik, führte ansonsten aber ein ebenso langweiliges Leben wie ihr Mann. Wenn sie das Haus verließ, dann nur um einzukaufen oder andere Erledigungen zu machen. Sie tat nichts, was auch nur wenigstens auf einen Liebhaber hingedeutet hätte.
    Nach Taylors Meinung bereiteten Kunajew vor allem seine Landsleute und die Diplomaten anderer Ostblockstaaten Probleme. In der ersten Woche der Abhöraktion gab er zwei formelle Einladungen bei sich zu Hause. Die erste war für eine Delegation ukrainischer Metallurgen, die an einer Konferenz an der Technischen Hochschule Istanbul teilnahmen, und wurde in den Abhörprotokollen gewissenhaft aufgezeichnet. Erst wurde nur metallurgisches Fachchinesisch geredet, das viele Seiten

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