Das Netzwerk
hatte eine gewaltige Beule an der Fahrertür. Taylor, der seinen Fahrer auf dem Seitenstreifen hatte halten lassen, verfolgte das kleine Straßenballett gespannt. Er glaubte nicht, dass Rawls schon auf sie aufmerksam geworden war, aber wenn sie ihm jetzt mit demselben Wagen in die Gegenrichtung folgten, würde das mit Sicherheit passieren.
«Der Kerl ist ein Profi!», sagte George. «Den Trick haben sie mir in der Ausbildung auf der Farm beigebracht.»
«Mir auch», brummte Taylor.
«Dann hat er uns also abgehängt.»
«Keineswegs.»
«Wieso nicht?»
«Weil ich mir die Nummer des zweiten Taxis gemerkt habe.»
Rawls konnte nur wieder über die Brücke und zurück in die Altstadt gefahren sein. Taylor befahl seinem Fahrer, ein paar Minuten zu warten und sie dann zu dem Taxistand am Sultanachmet-Platz zu bringen, wo sich nachts viele Taxifahrer trafen. Auf dem Weg dorthin schrieb Taylor die Nummer von Rawls’ Wagen auf einen Zettel, den er am Taxistand zusammen mit fünftausend Lira seinem Fahrer in die Hand drückte. Wie sich herausstellte, hätte er sich das aber auch sparen können, denn kurze Zeit später reihte sich das gelbe Taxi mit dem verbeulten Kotflügel selbst in die Schlange vor dem Stand ein.
Für nur tausend Lira erzählte ihnen der Fahrer, dass er den großen, blonden Mann vor einem Haus ganz in der Nähe der Yeniceriler-Straße abgesetzt habe. Als sie ein paar Minuten späterdort ankamen, musste Taylor bekümmert feststellen, dass sie praktisch wieder am Ausgangspunkt waren: in dem von Einwanderern bewohnten Stadtviertel in der Nähe der Universität.
«Sieht aus, als hätte der Kerl uns an der Nase herumgeführt», bemerkte Taylor, ließ den Fahrer noch zwei Straßen weiterfahren und dann anhalten. George und Taylor stiegen aus und gingen zu Fuß zu dem Haus zurück.
Nur in einem Fenster im dritten Stock brannte noch Licht. Das muss Rawls’ Wohnung sein, dachte Taylor. Aber was war mit dieser Erkenntnis schon gewonnen? Während er noch hinauf zu dem erleuchteten Fenster blickte und überlegte, was sie jetzt tun sollten, ging das Licht plötzlich aus.
«Schlafen Sie gut, Mr. Rawls», murmelte George.
Doch Mr. Rawls schien noch lange nicht zu Bett gehen zu wollen. Eine Minute später trat er aus der Haustür, sah sich kurz um und verschwand in Richtung Yeniceriler-Straße. Wo wollte er hin? Und was wollte er überhaupt in Istanbul?
«Was machen wir jetzt?», flüsterte George. «Folgen wir ihm weiter?»
Doch Taylor hatte offenbar etwas anderes im Sinn, denn auf sein Gesicht war ein seltsamer Ausdruck getreten – ein Grinsen, so breit, dass George seine Zähne im Mondlicht glitzern sah. Zum zweiten Mal innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte ihm das Glück eine ganz seltene Gelegenheit beschert.
«Lass uns dem Burschen ein richtiges Ei ins Nest legen, Georgie», sagte Taylor voller Schadenfreude. Und George nickte. Es wäre ihm nie eingefallen, Taylors Entscheidungen zu kritisieren. Schließlich war er weder Anwalt noch Kongressabgeordneter.
«Du hast doch dein Werkzeug dabei?»
George nickte abermals. Natürlich hatte er seine Ausrüstungdabei, er schleppte sie schließlich schon die halbe Nacht durch dunkle Gassen, Bordelle und Bars.
«Und sonst noch?»
«Alles.»
«Auch ein Mikro?»
«Ja.»
«Und ein Aufzeichnungsgerät?»
«Ja.»
«Dann setzen wir dem Hurensohn eine Wanze in die Wohnung und erteilen ihm eine Lektion, die er nicht so schnell vergisst.»
«Bist du verrückt?»
«Das fragst du noch?», erwiderte Taylor.
Sie überquerten die Straße und gingen zur Haustür. Sie war nicht abgeschlossen. Vorsichtig spähte Taylor hinein, um zu sehen, ob es vielleicht einen Portier gab, der Ärger machen könnte, aber der düstere, staubige Hausgang war leer, und so führte er George die Treppe hinauf in den dritten Stock und stand Schmiere, während der Fachmann sich an die Arbeit machte. Diesmal war das Anbringen einer Wanze geradezu unverschämt leicht. George bohrte ein winziges Loch in die Flurwand, steckte ein Mikrophon mit Sender hinein und verschloss es mit Fertigspachtel aus der Tube, ohne dass eine Spur zurückblieb. Nun mussten sie nur noch einen geeigneten Ort für den mit einem kleinen Aufnahmegerät gekoppelten Empfänger finden. George versteckte ihn unter einer Stufe der Holztreppe, die hinauf zum Speicher führte.
«Dieses kleine Wunderding kann einen guten Monat lang aufzeichnen», sagte George. «Immer vorausgesetzt, der Bursche redet nicht im
Weitere Kostenlose Bücher