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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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greifen.»
    «Ja, ich erinnere mich», sagte Timmons mit einem gewissen Unterton.
    «Eigentlich wollte ich in der Bar nur ein Mädchen für George auftreiben, aber dann hat mich Omar auf einen anderen Amerikaner aufmerksam gemacht, eben diesen Rawls, der sich mit zwei zwielichtigen Usbeken unterhielt. Ich bin irgendwie neugierig geworden und habe George an seinen Tisch geschickt, um ihm etwas auf den Zahn zu fühlen. Der Mann hat George seine Karte gegeben und behauptet, er sei Filmemacher aus British Columbia und würde in Istanbul einen Dokumentarfilm über sowjetische Emigranten drehen.»
    «Klingt ja verdammt nach unserer Firma. Die Kanadier haben in der Türkei meines Wissens nichts laufen.»
    «Genau das habe ich mir auch gedacht. Und weil mir der Kerl nicht ganz koscher vorkam, habe ich ihm ein bisschen nachspioniert. Ehrlich gesagt hatte ich an dem Abend etwas viel getrunken, sonst hätte ich das wahrscheinlich nicht gemacht.»
    «Was genau haben Sie unternommen?»
    «Ich bin ihm nach Hause gefolgt und habe George seine Wohnung verwanzen lassen. Ich weiß, das war dumm von mir.» Taylor bemühte sich, einigermaßen zerknirscht zu wirken.
    «Ist das alles? Ist es das, was ich niemandem erzählen soll?»
    «Ja.»
    «Vergessen wir’s. Wen interessiert das schon? Kommen Sie zum Punkt. Was hat die Abhöraktion ergeben?»
    «Seltsames Zeug. Rawls bekommt alle paar Tage Besuch von irgendwelchen Emigranten   – Usbeken, Kasachen und weiß Gott wem sonst noch – und jammert ihnen was davon vor, wiegemein die Russen zu den Muslimen in der Sowjetunion sind. Als ob sie das nicht selber wüssten. Und dann stachelt er sie auf, sie müssten unbedingt ihre Heimat befreien und der gute Onkel Sam würde ihnen möglicherweise dabei helfen.»
    «Wobei?»
    «Das spricht er nie deutlich aus, aber er trichtert ihnen eine Parole ein: ‹Freiheit für Turkestan›, als wäre das der Schlachtruf irgendeiner Untergrundbewegung.»
    «Das können Sie gleich vergessen», entgegnete Timmons und schüttelte den Kopf. «Solche Sachen machen wir nicht mehr. Streng verboten.»
    «Das habe ich mir auch gedacht. Aber hören Sie sich das Band mal an.»
    «Auf keinen Fall.»
    «Sie hören sich jetzt das verdammte Band an!»
    Und das tat er auch. Timmons saß wie betäubt da, während Taylor ihm ausgewählte Passagen vorspielte, und vergaß darüber sogar seinen geplatzten Golftermin. Abdallah aus Taschkent. Der Terekeme-Türke. Der Usbeke. Der Tatare. Und jedes Mal, wenn Rawls von seinen «Freunden in Amerika» sprach, murmelte Timmons: «Verdammter Mist!» Als Taylor ihm alles vorgespielt hatte, stützte sein Chef den Kopf in die Hände. Er wirkte niedergeschmettert.
    «Ich weiß nicht, was da im Busch ist», sagte er, «aber es ist extrem heikel, so viel ist sicher.»
    «Ganz genau.»
    «Offen gestanden», fuhr Timmons fort, «möchte ich in die Sache eigentlich nicht hineingezogen werden. Wenn jemand der Ansicht gewesen wäre, ich sollte davon wissen, dann wüsste ich auch davon. Aber da dem nicht so ist, geht es mich offenbar auch nichts an.»
    «Aber jetzt wissen Sie’s doch.»
    «Ich kann solchen Ärger wirklich nicht brauchen», erklärte Timmons ungerührt. «Nächstes Jahr werde ich pensioniert, und das soll in aller Ruhe und ohne großes Aufsehen über die Bühne gehen. Wenn Sie einen Wirbel machen wollen, dann steht Ihnen das natürlich frei. Aber ich halte mich da raus. Das ist einzig und allein Ihre Sache. Machen Sie damit, was Sie wollen.»
    «Danke», sagte Taylor. Er tat ihm leid, dieser Timmons, alt und müde und ängstlich darauf bedacht, dass nichts sein Leben durcheinanderbrachte.
    «Wenn Sie nur so nett wären, mir Kopien Ihres Schriftverkehrs zukommen zu lassen», sagte Timmons. «Und nur damit Sie Bescheid wissen: Ich werde heute Abend selbst eine Mitteilung an die Zentrale schicken und berichten, dass Sie mich über eine heikle Sache informiert haben, auf die Sie gestoßen sind, ich Ihnen aber empfohlen habe, sie nicht weiterzuverfolgen.»
    Taylor bedankte sich bei Timmons und schüttelte ihm die Hand. Er hatte den Eindruck, soeben einer Selbstdemontage beigewohnt zu haben.
     
    Der Drang, Ärger zu machen, war bei Taylor fast ein Naturinstinkt. Und obwohl ihm schwante, dass er sich diesmal vermutlich selbst den meisten Ärger einhandeln würde, setzte er am Abend eine Mitteilung an die Zentrale auf. Erst hatte er überlegt, sie als LWSUR F-Nachricht an den Direktor persönlich zu schicken, damit sie auf direktem Weg

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