Das neue Buch Genesis
so sehr um das Wohl der anderen, dass er sich dabei aufreibt.
Deshalb bin ich hier bei dir. Wie sehr sich die Philosophen auch bemühten, es gelang ihnen einfach nicht, richtig und falsch eindeutig voneinander zu unterscheiden. Gut ist, was in einer bestimmten Situation das Richtige ist. Die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen, besteht darin, die Androiden selbst lernen und sich einige Tricks aneignen zu lassen, die ihr im Lauf der Evolution erworben habt. Nun ging es plötzlich nicht mehr um richtig oder falsch, sondern um die Fälligkeit, sich anzupassen. Kompatibilität statt Rechtschaffenheit. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ganz egal, welches schlechte Vorbild du für mich bist, ich kann keinem anderen vernunftbegabten Wesen etwas zuleide tun. Das ist einer meiner grundlegenden Programmimperative.«
»Du weißt, dass mich das alles nicht die Bohne interessiert, oder?«, sagte Adam.
»Das glaube ich dir nicht«, erwiderte Art. »Ich habe ein Programm zur Erkennung von Unaufrichtigkeit. Es überprüft die Iris. Es ist sehr gut.«
»Zu schade, dass du kein Programm hast, das dir sagt, wenn du anderen auf die Nerven gehst.« »Das klingt auch interessant.« »Tut es nicht.«
»Möchtest du, dass ich still bin?« »Ich bitte darum.« »Ich werd's versuchen.«
Das Schweigen dauerte nur eine Minute. Arts Mund zackte die ganze Zeit, als formte er in Gedanken Worte. »Weißt du, irgendwann wirst du es leid sein«, begann Art schließlich. »Das wissen wir beide. Wozu also das ganze Theater?« Adam antwortete nicht.
»Ich werde jetzt runterfahren. Aber meine Sensoren bleiben aktiv. Du musst es nur sagen, wenn du mit mir reden möchtest. Ich finde, es ist schon ein bisschen besser geworden, findest du nicht auch? Du hasst mich schon nicht mehr so sehr wie gestern, stimmt's?« Die Szene verblasste. Anax' erstes Hologramm war zu Ende. Die Stimmung im Raum hatte sich verändert. Das Licht schien trüber, die Luft kühler. Die drei Prüfer starrten Anax an. Sie hatte plötzlich das Gefühl, in der Falle zu sitzen, und verspürte zum ersten Mal Angst.
PRÜFER: Mögen Sie Art?
ANAXIMANDER: Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin mir nicht sicher, was Ihre Frage bedeutet. In welcher Hinsicht könnte man ihn mögen?
PRÜFER: Wem gelten Ihre Sympathien?
ANAXIMANDER: Ich empfinde eine gewisse Sympathie für Adam.
PRÜFER: Warum?
ANAXIMANDER: Er ist verloren. Er hat Angst.
PRÜFER: Und Art?
ANAXIMANDER: Art hat weniger zu befürchten.
PRÜFER: Ihre Antworten sind nicht mehr so vorsichtig.
ANAXIMANDER: Das stimmt.
PRÜFER: Denken Sie, das ist klug?
ANAXIMANDER: Das ist es ganz sicher nicht.
Anax wusste, dass es nun kein Zurück mehr gab. Es gab nichts, was sie sagen konnte, um an den Punkt zurückzugelangen, von dem sie gekommen war. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich weiter voranzukämpfen und sie davon zu überzeugen, dass ihre unkonventionelle Sicht der Dinge ein neues Verständnis der Geschichte ermöglichte.
Anax hatte geahnt, dass es so kommen könnte. Perikles hatte sie mehrfach daran erinnert, dass der Weg, für den sie sich entschieden hatte, umstritten war. »Und wennschon«, hatte Anax stets erwidert. »Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Dass ich nicht angenommen werde, und damit rechne ich sowieso. Versuchen kann ich es j a mal.«
Doch nun beschlich sie plötzlich das Gefühl, dass sie sich getäuscht hatte. Eine dumpfe Angst befiel sie, wie ein Schatten, der am Rande ihres Sichtfeldes auftauchte und verschwand, sobald sie den Blick auf ihn richtete. Anax hoffte, dass das Gremium ihre Unruhe nicht spürte. Sie konzentrierte sich auf die nächste Frage und beschloss, sie nicht erahnen zu wollen, sondern sie einfach so ehrlich wie möglich zu beantworten.
PRÜFER: Was denkt Adam nun? Wie ist seine Haltung dem Androiden gegenüber?
ANAXIMANDER: Sie wird von drei Faktoren bestimmt. Der erste Faktor ist eine Reaktion seines Intellekts. Adam sagt die Wahrheit, wenn er erklärt, dass Art für ihn nur eine Maschine ist. Rational gesehen kann eine Maschine nicht denken, sondern nur rechnen. Das ist Adams Meinung und er hält es für einen Akt der Stärke, sich dementsprechend zu verhalten Er wurde als Philosoph erzogen. So hat er seine prägenden Jahre verbracht. Er glaubt, seine Gedanken sollten den Vorrang vor seinen Gefühlen haben.
PRÜFER: Vorhin haben Sie erklärt, Sie glaubten nicht an die Verschwörungstheorien. Sie sagten, als Adam Ev a sah, habe er auf sein Herz
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