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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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hinzu.
    »Es war Grimaud!«, sagte Jesus atemlos. »Ich sagte euch ja, er ist ein Verräter. Ich wollte euch immer vor diesem gemeinen Kerl warnen, aber ich fand die nicht richtigen Worte. Und nie war die Situation passend. Ich weiß, dass er ein Spitzel des französischen Königs ist. Ich wollte ihn töten. Aber ich fand nicht den Mut dazu. Er jagt ehemalige Templer! Und er ist uns beiden auf der Spur, Henri!«
    Henri hätte lieber nicht gehört, was Jesus ihm da anvertraute. Konnte das wahr sein?
    »Warum hast du mich nicht früher gewarnt, mein Gott?«, schrie Henri. »Sean wäre das erspart geblieben!«
    »Ich – bitte um Verzeihung, Henri«, stammelte Jesus. »Ich habe versagt. Ich konnte einfach nicht sprechen, denn ich spürte, wie du mich verdächtigtest! Ich spürte, wie du mich beobachtet hast, als wäre ich der Verräter. Das lähmte mich.«
    »Und ich begriff nicht, was geschah!«, sagte Henri verzweifelt.
    Sean stöhnte erneut. Blut floss aus seiner Seite und bildete eine kleine Lache.
    Madeleine drückte ein Tuch auf die Stelle, wo der Dolch den Jungen getroffen hatte. Sie hoffte, den Blutfluss stoppen zu können. Sean verlor für einen kurzen Moment das Bewusstsein.
    »Grimaud ist gefährlich«, sagte Jesus. »Wir müssen hier verschwinden, sonst verhaftet er uns. Er hat alle offiziellen Befugnisse, die er braucht! Und er wird nicht zögern, sie zu nutzen. Ich kenne ihn genau, schon aus Paris. Er hat mir etliche Fallen gestellt, ich konnte ihm aber immer entkommen. Ich bin ihm schon seit seiner Abreise aus Frankreich und seiner Ankunft in Lapethos auf der Spur – so wie er glaubt, auf meiner zu sein. Deshalb konnte ich dir, Henri, auch keine genaue Auskunft darüber geben, woher ich kam. Ich wusste ja anfangs nicht, dass du ein Templer warst, dass ich dir trauen konnte.«
    »Schon gut, Jesus«, sagte Henri, plötzlich wie gelähmt. »Es hat alles keinen Zweck. Wir sind am Ende. Ich spüre, dass das Schicksal sich gegen uns verschworen hat. Der Tempel ist endgültig verloren. Mit uns verliert er seine letzten Kämpfer. An diesem Ort, wo dieses neue Evangelium mir jeden Mut nimmt, werden wir alle sterben. Ich nehme es hin.«
    »Nein!« Madeleine schrie auf. »Rede nicht so! Wir müssen uns verstecken!«
    »Sean kann nicht gehen«, murmelte Henri mit bleichem Gesicht. »Es ist hoffnungslos.«
    Kaum hatte er diesen Satz gesagt, wurde die Tür aufgestoßen. Dutzende Soldaten in schwarzer Kleidung stürmten in die Gaststube. Sie richteten Lanzen auf die Gefährten. Als sie im Kreis um die Gefährten Aufstellung genommen hatten, trat Herr Grimaud in den Raum.
    Er trug jetzt die Uniform des Hauptmanns der französischen Armee. Spöttisch blickte er auf das Bild vor sich. Mit von Hohn triefender Stimme sagte er zu Madeleine:
    »Tut mir leid, meine Schöne. Es gibt mehr Dinge, die Aufmerksamkeit verlangen, als die Liebe.«
    »Ihr habt mich nur benutzt, Grimaud!«, rief Madeleine empört.
    »Aber gewiss doch!«, antwortete Grimaud, und jeder merkte ihm an, wie sehr er die Situation genoss.
    Ludolf von Suchen trat den Soldaten entgegen. »Ihr habt kein Recht, so zu handeln, ich werde mich beim Statthalter beschweren!«
    Einige Soldaten lachten grob.
    Grimaud sagte: »Mit welchem Mund wollt Ihr Euch beschweren? Mit welchen Lippen? Mit welchen Zähnen?«
    Ludolf verstand, dass Grimaud ihnen Folter androhte. Er wagte noch einmal zu sagen: »Ich bin ein freier französischer Bürger! Gegen mich liegt keine Klage vor! Ihr könnt mich nicht verhaften!«
    »Ich kann Euch nicht?« Grimaud trat nahe an den Pilger heran und schlug ihm ins Gesicht. »Ich kann nicht? Packt ihn und legt ihn in Ketten. Und die anderen auch! Und dann fort mit ihnen!«
    Die Soldaten fielen über die Gefährten her. Bei Madeleine gaben sie sich besondere Mühe, sie zu binden, wobei sie Ketten um ihren Körper schlangen. Sean saß halb aufgerichtet auf dem Fußboden und blickte Hilfe suchend zu Henri hinüber.
    Aber der schottische Tempelritter wirkte teilnahmslos. Er ließ alles über sich ergehen. Henri war wie gelähmt. Er wehrte sich nicht.
    »Es ist meine Schuld«, sagte Jesus zu ihm.
    Henri reagierte nicht.
    »Ja, es ist in der Tat deine Schuld«, rief Grimaud höhnisch. »Ich war nur dir auf den Fersen, aber jetzt habe ich das ganze Pack. Es ist ein Triumph ohnegleichen!«
    »Herr Grimaud«, sagte Madeleine. »Lasst uns gehen. Ihr richtet großen Schaden an. Seht nur, wie sehr Ihr Henri mit dieser Maßnahme trefft!«
    »Er ist ein

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