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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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Beleidigung deshalb nicht übel. Aber seid gewarnt! Ich lasse mir solche Anschuldigungen nicht gefallen! Es könnte ein übles Nachspiel haben!«
    »Tut, was Ihr wollt, Grimaud!«, sagte Henri. »Ich sorge jetzt dafür, dass Jesus wieder zu sich kommt. Sean, hol Wasser und ein Tuch. Ich will wissen, was der Mann vorhatte. Und Ihr, Grimaud, seid so gut und verlasst uns jetzt. In Eurer Gegenwart fühle ich mit nicht so wohl.«
    »Henri! Willst du nicht auf meine Gefühle Rücksicht nehmen?«, rief Madeleine.
    »Nein«, erwiderte Henri ungerührt. »Es geht nicht um dich. Ich begreife allmählich, dass es um ganz andere Dinge geht. Und diesen Dingen muss ich mich stellen. Deine Gefühle, Madeleine, sind dagegen unwichtig.«
    Sean kam mit dem Wasser.
    Sie weckten den Ohnmächtigen auf. Stöhnend kam Jesus de Burgos zu sich. Und er begann schon, als er die Augen aufschlug, zu erzählen.

 
    12
     
     
     
    Anfang März 1320. Der Verrat
     
    Es kam Uthman so vor, als würden die Klostermönche ihm nicht trauen. Er erklärte noch einmal mit Engelszungen, dass er ein christlicher Pilger und Gelehrter der Schrift aus dem fernen Spanien sei, der von dem neuen Evangelium gehört hatte. Er würde es gern sehen und anbeten. Die Mönche glaubten ihm nach einer Beratung mit dem stellvertretenden Abt schließlich doch. Sie wiesen ihm eine Klosterzelle zu. Am nächsten Tag sollte der Pilger noch einmal bei Bruder Askenios nachfragen, der dann von einer Reise zurückkehrte. Bruder Askenios sei der Hüter aller Schriften. Und wenn es ein neues Evangelium gab, auch von diesem. Der Pilger sollte jedoch bis dahin seine Zelle nicht verlassen.
    Uthman willigte dankbar ein.
    Natürlich hatte er nicht vor, den Anweisungen der Mönche zu folgen. Er wollte nach dem Verbleib des Sakristans forschen, denn ein plötzlicher Verdacht ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Dieser Bruder Alexios musste die Antworten auf alle Fragen kennen. Und Uthman ahnte, dass er sich nicht außerhalb des Klosters aufhielt.
    Uthman nahm an den Gebeten teil. Er überwand sich, im Kreis der Laienmönche, die im Kloster ihren Dienst verrichteten, zu einem Gott zu beten, der zwar auch der seine war, den die Ungläubigen jedoch anders nannten. Und sie hatten diesem zwei andere Götter an die Seite gestellt.
    Uthman wartete auf die Nacht. Er blieb in seiner Zelle und dachte nach. Beim Studium des Barnabas-Evangeliums waren ihm einige Stellen aufgefallen, die ihm besondere Sorge bereiteten. Er versuchte, sie sich zu erklären. Und einmal mehr dachte er daran, dass er nur hier in diesem Kloster die Antworten auf alle Fragen geben könne, die ihn seit ein paar Tagen beschäftigten.
    Als die Nacht kam, machte Uthman sich bereit. Er kannte den Weg zum Skriptorium, den er nächtens mit Henri schon einmal gegangen war. Er würde das Skriptorium aufsuchen. Und danach noch einen anderen, einen ganz besonderen Raum.
    Uthman hatte sich den Klosterplan genau eingeprägt. Er kannte alle Räume – auch die geheimen.
    Wie schon einmal wollte Uthman nach dem letzten Nachtgebet aufbrechen, an dem er diesmal teilgenommen hatte. Er zog sich in seine Zelle zurück. Dort wartete er, bis alle Lichter erloschen waren. Dann machte er sich auf den Weg.
    Der Mond war inzwischen noch voller, er leuchtete beinahe schon zu hell, um Uthman ausreichenden Schutz zu gewähren. Der Sarazene musste in von Mauern und Pfeilern geworfene Schatten ausweichen, um keine ungewollten Blicke auf sich zu lenken. Auf diese Weise erreichte er das Skriptorium ungesehen. Dort angekommen, schien er weiterhin allein zu sein – jedenfalls bemerkte er keine Menschenseele.
    Als er den Schreibtisch erreichte, auf dem Henri das verräterische Bild mit dem ermordeten Sakristan entdeckt hatte, sah er, dass hier aufgeräumt worden war. Hier wurde zurzeit scheinbar gar nicht gearbeitet, die Mönche schrieben oder illustrierten in diesen Tagen offenbar nichts.
    Uthman war zufrieden. Er verließ das Skriptorium und machte sich auf den Weg zum Arbeitszimmer des Abts.
    Auch hier war alles still und verlassen. Uthman fand die Kopie des Evangeliums nicht. Sie war offenbar fortgeschafft worden. Aber damit hatte er gerechnet. Die Mönche verwischten alle Spuren.
    Uthman kehrte um. Er schlich zurück ins Skriptorium. Dort angekommen, trat er durch eine kleine Seitentür. Dahinter befand sich eine Treppe. Uthman überlegte einen Moment, ob er vielleicht einen Fehler beging. Eigentlich glaubte er, unmittelbar vor des Rätsels Lösung zu

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