Das neue Evangelium
blumig, mein Montfort! Aber wozu haben wir unsere tausend Büttel auf der Insel, die in unserem Auftrag alles, was es zu wissen gibt, auch wissen? Wir haben alles unter Kontrolle!«
»Ihr gebt mir da ein hervorragendes Stichwort, Herr Guido! Einer unser Zuträger hat uns gestern Seltsames berichtet.«
»Einer mehr, der seltsame Dinge zu berichten weiß. Manchmal habe ich den Eindruck, Zypern wird tatsächlich zu einer Art Hexenküche, in der jeder einen heißen Brei kocht! So viele Begehrlichkeiten…«
»Dieser Mann berichtet, im Hafen seien vier seltsame Gestalten von Bord gegangen.«
»Die vier Evangelisten im neuen Gewand!« Guido lachte über seinen eigenen Scherz.
»Es war auch eine Frau dabei, Herr Guido.«
Der Konnetabel leckte sich die Lippen. »Das ist natürlich immer interessant. Woher kamen sie?«
»Aus Westen. Die Nef hat ihren Heimathafen in Genua.«
»Aus Italien also. Ein Handelsschiff, nehme ich an.«
»Es brachte Öl, Wein, Getreide, Salz und Tuche. Und es fährt in zwei Tagen zurück mit Gewürzen, Seide, Teppichen, Parfüm, Johannisbrot und Weihrauch.«
»Die üblichen Frachten. Und was ist das Seltsame an der Ankunft dieser Leute?«
»Nun, erstens – sie bleiben. Zweitens kennt ihr die Nachrichten aus unserer Heimat, Konnetabel! Dort hat man sich des Problems längst entledigt. Doch auf Zypern ist das Andenken an diese Brut noch immer höchst lebendig. Ihr wisst, was ich meine.«
»Ihr meint die Templer?«
»So ist es!«
»Gebt Euch nicht so geheimnisvoll! Was ist mit den Templern?«
»Ihr wisst, dass der Orden seinen Hauptstützpunkt auf Zypern hatte, hier war die letzte Bastion nach dem schrecklichen Verlust des Heiligen Landes.«
»Ja und?«
»Die Krone hat früher mit den Templern sympathisiert. Im Heiligen Land war sie sogar eng mit dem Orden verbunden, ich erinnere nur an Euren weitläufigen Verwandten, König Guido von Lusignan und den Tempelgroßmeister Gerard von Ridefort – sie waren ein Herz und eine Seele. Beide trafen in Jerusalem im Schatzraum des Heiligen Grabes öfter zusammen als der Kronrat. Nur Guido, der Patriarch, und der Großmeister des Tempelordens besaßen die Schlüssel zu diesem legendären Schatz!«
»Jaja, das weiß ich doch alles! Es steht in unserer Familienchronik. Worauf wollt Ihr hinaus? Kommt endlich zur Sache!«
»Einen Moment Geduld, Herr Guido! Ich bin gleich am entscheidenden Punkt angelangt. Was ich sagen will, ist Folgendes: Das Herrscherhaus der Lusignans war immer mit dem Großorden vom Tempel verbunden. Jetzt, nach der Zerschlagung des Ordens, müssen wir mit diesem Kapitel unserer Vergangenheit behutsam umgehen. Die Templer gelten nun als Verräter und Königsmörder, ja sogar Papstmörder. Sie sind wahre Teufel!«
»Ja und?«
»Kurz und gut – die vier Männer, die von der Nef an Land gingen, könnten die Königsmörder sein!«
»Was?«
»Ja. Auf ihren Anführer, einen großen bärtigen Mann mit dunkler Stimme, passt die Beschreibung ebenso wie auf seine beiden erwachsenen Begleiter. Der eine ist offensichtlich sarazenischer Herkunft, der andere ein Jude. Die beiden anderen spielen keine Rolle, ein Junge und eine junge Frau.«
»Von wem kommen diese Informationen? Ist es ein Mann, dem wir trauen können?«
»Der Hafenmeister, Ihr kennt ihn, Herr Guido.«
»Voltero, er irrt sich nicht.«
»Eben.«
»Wie hießen diese Männer doch gleich, die in Frankreich zu Ungeheuern geworden und der gerechten Strafe nur mit Unterstützung des Teufels entkommen sind?«
»Henri de Roslin, schottischer Tempelritter, der letzte Überlebende des Ordens, von dem wir Kenntnis haben. Uthman ibn Umar, sarazenischer Kämpfer und Schriftgelehrter aus Cordoba. Und Joshua ben Shimon, jüdischer Schriftgelehrter, der in letzter Zeit oft in Toledo gesehen wurde.«
»Mein Gott, wenn sie es wirklich wären!«
»Die Frage ist: Was machen sie in Zypern? Was haben sie vor?«
»Schickt einen fähigen Büttel! Wir müssen es unbedingt herausfinden! Und wir müssen ihnen auf Schritt und Tritt folgen! Ich kann mir nicht leisten, dass es hier auch nur die geringste Unruhe gibt! Andererseits wäre es ein enormer Erfolg für uns, wenn wir diese gesuchten Verbrecher zur Strecke bringen könnten!«
In das Gesicht des Beraters zog ein feines Lächeln. Er verbeugte sich tief und zog sich rasch zurück. Als er den Empfangsraum des Konnetabels verlassen hatte, stand er einen Moment wie erstarrt.
Schließlich fluchte er leise vor sich hin und spuckte
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