Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
erhebliche Anzahl von Ziegen brach «fast sofort» nach dem Schuss zusammen (wobei «fast» immer noch einige Sekunden sein können). In diesen Fällen wurde eine kurze, aber heftige Druckwelle am Hals der Ziege festgestellt, direkt gefolgt vom Ende der Gehirnströme.
Das Problem mit dem Strasbourg-Test: Man weiß nicht so recht, ob er überhaupt stattgefunden hat. Namhafte Experten halten die gesamte anonym publizierte Geschichte für einen Hoax. Brauchbare wissenschaftliche Literatur jedenfalls sieht anders aus. Martin Fackler, ehemaliger Militärarzt und in den 1990er Jahren Präsident der Internationalen Vereinigung für Wundballistik, wird in seiner Analyse der Ziegenberichte im Jahr 1993 sehr deutlich: «Vermutlich werden wir bald anonyme Berichte sehen, die beweisen, dass Elvis noch am Leben ist (…). Und natürlich wird auch das jemand glauben.»
Auf der anderen Seite gibt es Experten wie die Amerikaner Amy und Michael Courtney, Inhaber einer Firma zur Ballistikforschung, die Fackler widersprechen. Sowohl Michael als auch Amy verfügen über Doktortitel (in Experimenteller beziehungsweise Medizinischer Physik) vom renommierten Massachusetts Institute of Technology, was sie zunächst vertrauenswürdig erscheinen lässt. Trotzdem sind ihre Ausführungen zum hydrostatischen Schock mit Skepsis zu betrachten. In einer Serie von Publikationen, die im Internet kursieren, aber nicht in den üblichen Fachzeitschriften erschienen sind, listen sie alle möglichen Beweise für den hydrostatischen Schock auf, einschließlich der eben erwähnten fragwürdigen Testreihen an Ziegen, gehen dabei aber nicht besonders ehrlich mit dem Leser um. Zum Beispiel werden die oben genannten Zellveränderungen als Beleg für einen sofortigen hydrostatischen Schock angeführt, ohne zu erwähnen, dass sie erst nach beträchtlicher Zeit auftreten. Die Courtneys jedenfalls folgern aus all dem, dass es den Schocktod beim Menschen unzweifelhaft gibt.
Die unsachlichen Diskussionen um den hydrostatischen Schock sind auch deswegen nicht totzukriegen, weil es in diesem Kontext um die Frage geht, welche Munition zu verwenden sei, um die beste Wirkung zu erzielen. Jäger, Polizisten, Soldaten, alle sind daran interessiert, dass ihre Gegner möglichst sofort umfallen. Wenn es also eine Munition gäbe, die dieses Ziel erreicht, auch wenn kein lebenswichtiges Organ getroffen ist, würde sie rasenden Absatz finden. Das macht den Begriff für Munitionshersteller überaus interessant. Tatsächlich stehen bestimmte Arten von Munition bei Jägern und anderen Waffenbenutzern im Ruf, einen besonders heftigen hydrostatischen Schock auszulösen. Alle diese Aussagen stehen jedoch auf tönernen Füßen. Sie verfallen dem alten Trugschluss, es gäbe auf eine höchst komplizierte Frage eine einfache Antwort – am besten so was wie «5,7 × 28 mm».
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Space Roar
Das zwanzigste Jahrhundert ist unter anderem das Zeitalter des Lärms.
Aldous Huxley, «Die Ewige Philosophie»
«Space Roar» («Weltraumgetöse») nannte ein amerikanisches Astronomenteam eine starke Radiostrahlung unklaren Ursprungs, die offenbar aus den Tiefen des Weltalls kommt. Die ersten Berichte über das seltsame Radiorauschen tauchten im Sommer 2008 auf der Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft im südkalifornischen Long Beach auf. Gefunden wurde der Lärm durch Messungen mit einem speziellen Radioempfänger namens ARCADE 2, dessen Arbeitsort ein Gefäß ist, das an einem Heißluftballon 37 Kilometer über der Erdoberfläche baumelt. Im Universum tost natürlich nichts, denn Schall wird im Vakuum nicht übertragen, Radiostrahlen aber schon, und weil aus unseren irdischen Radiogeräten die ganze Zeit Getöse dringt, sei den Astronomen die Ungenauigkeit verziehen.
Radiowellen nennt man den Teil des elektromagnetischen Spektrums, in dem die Wellen länger sind als ein Zentimeter. Zum Vergleich: Die Strahlen, die wir normalerweise «Licht» nennen und mit dem Auge wahrnehmen können, haben Wellenlängen von weniger als einem Tausendstelmillimeter. Radiostrahlen sind also kein Schall, sondern sehr langwelliges Licht. Fast jeder von uns besitzt ein Gerät, das Radiowellen erzeugen kann, zum Beispiel einen Mikrowellenherd (12 Zentimeter Wellenlänge), einen WLAN-Router (meist ebenfalls 12 Zentimeter, was erklärt, warum die Mikrowelle manchmal das drahtlose Internet stört), Mobiltelefone (10 bis 40 Zentimeter) oder Funkgeräte (je nach Bandbereich zwischen
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