Das neue Philosophenportal
erlangt ist«.
John Aubrey, der berühmte Biograf und Freund des Autors, glaubte, dass Hobbes den
Leviathan
schrieb, »ohne jede Absicht, seiner Majestät zu schaden oder Oliver [Cromwell] zu schmeicheln ..., aber mit dem Zweck, seine Rückkehr zu erleichtern«. Doch der Atheismusverdacht hing Hobbes noch weit über seinen Tod
hinaus an. 1683 verurteilte die Universität Oxford das Buch als häretische Schrift. Anspielend auf seinen Heimatort, nannte
man ihn »the monster of Malmesbury«. Keine der politischen Parteien in England fand sich in einem Denken wieder, bei dem weder
der göttliche Ursprung politischer Herrschaft noch die Einschränkung königlicher Macht durch das Parlament eine Rolle spielte.
Die englische Öffentlichkeit fasste das Buch nur mit spitzen Fingern an. Erst 1881 konnte dort eine zweite Auflage erscheinen.
Viel nachhaltiger wirkte das Buch in der Philosophiegeschichte. Die Vertragstheorie wurde zum Grundmuster der politischen
Philosophie der Aufklärung und wurde u. a. von Spinoza, Locke, Rousseau und Kant weiterentwickelt. Rousseau ist dabei derjenige, dessen Idee einer »volonté générale«,
eines »Gesamtwillens«, der den Willen aller repräsentiert und deswegen keinen Widerstand erfahren darf, dem Hobbes’schen Souverän
am nächsten kommt.
Sowohl die demokratische als auch die totalitäre Tendenz des
Leviathan
haben bis ins 20. Jahrhundert Einfluss ausgeübt. So übernahm der Rechtsphilosoph Carl Schmitt von Hobbes die These, dass die Geltung des Rechts
an die Macht eines Souveräns geknüpft ist, und rechtfertigte damit die Führerideologie und die Abschaffung des Rechtsstaats
durch die Nazis. Der amerikanische Philosoph John Rawls wiederum lieferte mit Hilfe der Figur des Gesellschaftsvertrags eine
Theorie der Demokratie und die Begründung für ein Sozialstaatsmodell, in dem sich alle Entscheidungen auch an den Bedürfnissen
der sozial Schwächsten ausrichten.
Bei all dem bleibt Hobbes derjenige, der dem Staat die metaphysischenWeihen entzogen hat und ihn als das darstellt, was er, nüchtern betrachtet, ist: ein effektives Instrument des Menschen, um
das friedliche Zusammenleben einer Gesellschaft zu organisieren.
Ausgabe:
Thomas Hobbes: Leviathan. Aus dem Englischen übertragen von Jutta Schlösser. Mit einer Einführung und herausgegeben von Hermann
Klenner. Hamburg: Meiner 1996.
Das Buch über Gott und die Welt
Baruch de Spinoza: Die Ethik (1677)
Gott hat nicht nur in den Religionen, sondern auch in der Philosophie immer eine große Rolle gespielt, selbst wenn Friedrich
Nietzsche, der große Ketzer unter den Philosophen des 19. Jahrhunderts, vielleicht etwas voreilig verkündete: »Gott ist tot!« Doch in den meisten Fällen unterscheiden sich die philosophischen
Gottesvorstellungen von den religiösen beträchtlich. Schon für einen der Väter der westlichen Philosophie, den Griechen Aristoteles,
war Gott nichts anderes als ein sehr abstraktes kosmologisches Prinzip: der »unbewegte Beweger«, auf den alle Vorgänge in
der Welt ausgerichtet waren. Aber auch nach dem Eindringen des Christentums in die Philosophie hatte der rationale Gott der
Philosophen wenig Ähnlichkeit mit dem persönlichen Gott, an den die Gläubigen sich zu wenden pflegen.
Eine der einflussreichsten rationalen Gottesvorstellungen hat uns der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza in einem
Buch mit dem etwas irritierenden Titel
Die Ethik
überliefert. Ethik, also Moralphilosophie, ist hier nämlich nur ein Thema unter anderen. Es handelt sich vielmehr um ein klassisches
Werk der Metaphysik, um eine Lehre von den ersten Gründen der Wirklichkeit. Die
Ethik
ist ein Buch über Gott und die Welt, genauer gesagt: ein Buch über Gott
in
der Welt und über die Welt in Gott. Erst auf der Grundlage der Beziehung zwischen Welt und Gott wird die Frage des richtigen
Lebens und Handelns erörtert.
Spinozas Gott residiert nicht außerhalb der Welt – in keinem Himmel und in keiner Transzendenz. Er ist, wie es in einem frühen
Song der Beatles heißt, »here, there and everywhere«. »Alles, was ist«, schreibt Spinoza, »ist in Gott, und nichts kann ohne
Gott sein undbegriffen werden.« Spinozas Gott ist gleichbedeutend mit dem Wesen der Welt. Er offenbart sich nicht durch heilige Bücher,
sondern er liegt für die Vernunft des Menschen offen zu Tage. Die Welt und ihre unwandelbaren Gesetze, das »Buch der Natur«
also, enthält für
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