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Spinoza die Offenbarung Gottes.
Dieser »immanente«, der Welt innewohnende Gott hat große Diskussionen ausgelöst. Er hat bei vielen nicht nur das Gottesbild,
sondern auch das Weltbild nachhaltig verändert. Denn ebenso wie Gott weltlich wurde, wurde die Welt jetzt göttlich. Die eigentliche
Revolution, die Spinozas
Ethik
im Denken der Nachwelt hervorrief, war eine Revolution der »Weltanschauung« im wörtlichen Sinn: Die Welt hatte die Eigenschaften
Gottes angenommen, sie war ewig, unendlich und wunderbar geworden. Und die Frömmigkeit und Ehrfurcht, die sich bis dahin auf
Gott gerichtet hatte, übertrug sich nun auf die Welt. Doch auch damit, so ist man sich einig, ist dieses Buch noch lange nicht
ausgeschöpft. Spinozas
Ethik
ist wie eine Kugel aus geschliffenem Glas, die ihre Farbe ändert, je nachdem, in welchem Licht man sie betrachtet.
So wie sein Werk für viele Betrachtungsweisen offen bleibt, so hat auch die Person des Baruch de Spinoza bis heute viel Rätselhaftes
bewahrt. Der 1632 im jüdischen Viertel Amsterdams geborene Denker blieb ein Außenseiter, der bis zu seinem frühen Tod 1677
ein stilles, zurückgezogenes Leben führte und dennoch mit den Autoritäten seiner Zeit immer wieder in Konflikt geriet. Bento
de Espinosa, wie sein portugiesischer Taufname lautete, war der Abkömmling sephardischer Juden, die, ursprünglich aus Spanien
vertrieben, Ende des 16. Jahrhunderts ihren Weg über Portugal und Frankreich in die Niederlande gefunden hatten. Das junge Land nahm verfolgte Bürger
zu einem Zeitpunkt auf, als es sich selbst noch mitten im Unabhängigkeitskampf gegen Spanien befand.
Spinozas Vater, ein angesehener Kaufmann, hatte innerhalb der jüdischen Gemeinde hohe Ämter inne und ließ seine Kinder im
Sinne jüdischer Rechtgläubigkeit erziehen. Neben den von Jugend an vertrauten Sprachen Portugiesisch, Spanisch und Niederländisch
lernte der junge Spinoza in der Gesetzesschule der Gemeinde Hebräisch, erwarb umfassende Bibelkenntnisse und schärfte seinen Geist, seit er dreizehn war, durch Talmudstudien. Später kamen die
Beherrschung des Lateinischen und Kenntnisse in Französisch, Italienisch und Deutsch dazu.
Doch schon sehr früh, mit achtzehn Jahren, zeichnete sich ab, dass der geistige Weg des jungen Spinoza nicht in die jüdische
Orthodoxie führen würde. Er nahm Kontakt zu einem Kreis freigeistiger protestantischer Kaufleute und Intellektueller, den
sogenannten »Kollegianten«, auf. Im Umkreis der Kollegianten begann Spinoza, sich von der jüdischen Schultradition zu lösen
und sich eine umfassende weltliche Bildung anzueignen. So machte er sich mit dem neuen Weltbild eines Kopernikus, Kepler und
Galilei vertraut, nach dem alle Vorgänge in der Welt natürliche Ursachen haben und Naturgesetzen gehorchen. Wie viele seiner
Zeitgenossen betrachtete Spinoza die Mathematik als die eigentliche Schlüsselwissenschaft. Er verknüpfte den Gedanken Gottes
mit dem Gedanken einer rationalen, mathematisch erklärbaren Weltordnung. Den Boden des jüdischen Glaubens hatte er damit verlassen.
Als sein Vater 1654 starb, trat er zunächst den für ihn vorgezeichneten Weg an: Er wurde Teilhaber des väterlichen Geschäfts.
Doch hatte man in der jüdischen Gemeinde seine Kontakte zu den freigeistigen Kollegianten schon eine Weile beobachtet und
war durch die kritischen Ansichten, die der junge Spinoza gegenüber den Glaubensinhalten geäußert hatte, argwöhnisch. Als
er sich mehrfach weigerte, seine Überzeugungen zu widerrufen, sprach die Gemeinde am 27. Juli 1656 den sogenannten »großen Bann« gegen ihn aus und verstieß ihn. Ein solcher Ausschluss hatte einschneidende persönliche
Konsequenzen: Er bedeutete soziale Isolierung und Verlust der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Auch die Führung der väterlichen
Geschäfte war unter diesen Umständen nicht mehr möglich.
Für Spinoza begann nun ein Leben der Verbannung im eigenen Land. Die jüdische Gemeinde verzieh dem Abtrünnigen nicht und versuchte
immer wieder, ihren Einfluss gegen ihn geltend zu machen. Und auch außerhalb der Gemeinde blieb seine Lage prekär. Spinoza
fand zwar ein Leben lang Freunde und Gönner, und seineKontakte reichten bis in höhere gesellschaftliche Kreise hinein. Doch auch in den ansonsten liberalen Niederlanden gab es
eine calvinistisch geprägte Zensur. Seine gegen die Orthodoxie gerichteten religiösen Auffassungen waren ebenso bekannt wie
seine
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