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Das neue Philosophenportal

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Titel: Das neue Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Descartes glaubte er, dass die Vernunft aus sich selbst heraus sichere Erkenntnisse über die
     Welt hervorbringen könne. Doch für ihn ist nicht mehr das subjektive Bewusstsein, das Ich, der Grundbaustein, auf dem das
     Haus der Wirklichkeit errichtet wird, sondern Gott. Die hier erstmals erprobte »geometrische Methode« baut nach dem Vorbild
     der Mathematik eine Argumentation auf, die deduktiv vorgeht, d.   h. aus obersten Prinzipien alle übrigen Aussagen logisch ableitet.
    Erste Aufzeichnungen zur
Ethik
machte Spinoza ab 1661, unterbrach die Arbeit an der Schrift aber 1665, als er mit der Abfassung seines zweiten Hauptwerks,
     des
Theologisch-Politischen Traktats
, begann. Erst nach dem Erscheinen des
Traktats
1670 wandte er sich wieder der
Ethik
zu und schloss das Manuskript 1675 ab. Es ist, wie in der damaligen europäischen Gelehrtenwelt üblich, in lateinischer Sprache
     geschrieben. Von einer Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten sah Spinoza allerdings ab.
    Der Aufruhr, den der anonym publizierte
Traktat
mit seiner rationalen Gottesvorstellung und seiner kritischen Bibelauslegung in orthodox religiösen Kreisen ausgelöst hatte,
     veranlasste ihn, den Text zurückzuhalten. Dennoch kursierten Teile des Manuskripts unter Freunden und wurden dort auch intensiv
     diskutiert. Die
Ethik
war bereits vor ihrer Veröffentlichung ein gleichermaßen berüchtigter und begehrter Untergrundtext. Gottfried Wilhelm Leibniz,
     nach Descartes und Spinoza der dritte große Rationalist, versuchte bei einem Besuch Spinozas 1676 vergeblich, ein Exemplar
     des Textes zu erhalten.
    Die
Ethik, in geometrischer Weise dargestellt und in fünf Teile geschieden
, wie der Titel vollständig lautet, ist ein streng logisch gegliederter Text, bei dem die Freunde klarer Definitionen und
     eindeutig formulierter Schlussfolgerungen voll auf ihre Kosten kommen. Jeder der fünf Teile des Buches gliedert sich in Begriffsbestimmungen,
     Grundsätze, Lehrsätze mit Beweisen und Erläuterungen, Folgesätze und Hilfssätze. Dazu kommen Anhänge, Anmerkungen und Postulate. Die geometrische Methode ist aber keine äußerliche Darstellungsweise, keine Spielerei eines Mathematikliebhabers. Sie ist
     vielmehr der Versuch, die rationale Ordnung der Dinge selbst abzubilden. Spinoza war davon überzeugt, dass die Welt rational
     geordnet und es Aufgabe der Philosophie ist, diese Ordnung argumentativ nachzuvollziehen. Erkenntnis und Welt, Innen und Außen
     korrespondieren miteinander, ein Gedanke, der in der Tradition der Mystik seinen Ursprung hat und den Spinoza aus der Kabbala,
     der Sammlung jüdischer mystischer Schriften, kennen konnte. Spinozas System will, im strengen Sinne des Wortes, ein »Weltbild«
     im Sinne einer »Weltabbildung« sein.
    Die
Ethik
stellt die Welt als ein ewiges, unendliches und in seiner Grundstruktur unwandelbares Gefüge dar. Spinoza übernimmt hier Vorstellungen,
     die im 16.   Jahrhundert von Giordano Bruno, aber lange vorher schon in der antiken Philosophie formuliert worden waren: Die Annahme eines
     ewigen kosmischen Seins findet sich in den Ideen Platons ebenso wie in der ewigen kosmischen Weltvernunft der Stoiker. Vor
     allem aber verabschiedet er sich von der jüdisch-christlichen Tradition, die einen Gott annimmt, der außerhalb der Welt steht
     und diese aus dem Nichts erschaffen hat.
    Spinoza hält an der Idee eines Gottes fest, aber er lehnt jeden »Anthropomorphismus«, d.   h. jeden Versuch ab, Gott der menschlichen Vorstellungswelt anzupassen oder ihm menschliche Züge zu verleihen. Gott ist weder
     Weltenschöpfer noch Weltenlenker, noch ist er ein »persönlicher« Gott. Er ist vielmehr das Zentrum eines in sich geschlossenen
     Weltensystems, das vom Gesetz der Ursache und Wirkung beherrscht wird.
    So beginnt die
Ethik
bei Gott als dem Angelpunkt des Weltensystems. Erst in den weiteren Teilen, »Von der Natur und dem Ursprung des Geistes«,
     »Von dem Ursprung und der Natur der Affekte«, »Von der menschlichen Unfreiheit« und »Von der Macht der Erkenntnis«, kommen
     der Mensch und seine Möglichkeiten ins Spiel, sich der göttlichen Weltordnung gegenüber angemessen zu verhalten.
    Wenn alles, was geschieht, nach den Gesetzen von Ursache und Wirkung geschieht, so stellt sich sofort die Frage nach der ersten
     Ursache, die alles andere in Gang gesetzt hat. Diese erste Ursache ist für Spinoza Gott. Da die erste Ursache aber nicht selbst wiederum
     Wirkung einer anderen Ursache sein kann – sonst

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