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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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sondern umgekehrt: Die Flüsse führen Wasser, weil es genügend Regen gibt. Gott verfolgt in der Natur
     keine Zwecke: Er ist die Natur und damit sich selbst Zweck. Alles geschieht notwendig. Denn, so Spinoza, »sobald Gott um eines
     Zweckes willen handelt, erstrebt er notwendig etwas, was er entbehrt«. Dies widerstreitet aber der Idee Gottes als eines vollkommenen
     Wesens. Die teleologische (von griech. »telos« = »Zweck«) Naturerklärung des Aristoteles wird, wie schon bei Descartes, durch
     eine mechanistische Naturerklärung abgelöst.
    Man kann die Natur aus zwei Blickwinkeln betrachten: als »wirkende Natur«, als »natura naturans«, als die mit Gott identische
     Substanz, die Ursache ihrer selbst ist; und als »gewirkte Natur«, als »natura naturata«, die die »Modi«, die »Daseinsformen«
     Gottes enthält, wie sie sich uns in der Welt darstellen.
    Zu diesen »Modi« gehört auch der Mensch, der, wie Spinoza sagt, »die Natur Gottes auf begrenzte Weise ausdrückt«. Der Mensch
     hat nicht die Vollkommenheit Gottes, aber er kann über seinen Geist und seine Erkenntnisfähigkeit an dieser Vollkommenheit
     teilhaben. Er kann die göttliche Seite seines Wesens aktivieren, indem er gegenüber der göttlichen Weltordnung eine bestimmte
     Haltung, eine bestimmte Perspektive einnimmt. Die richtige Haltung gegenüber der Welt ist für Spinoza gleichzeitig ein Willens-
     und Erkenntnisakt. Er geht sogar so weit, Wille und Verstand zu identifizieren.
    Eine Willensfreiheit, wie Descartes sie noch angenommen hatte, gibt es bei Spinoza nicht mehr. Der strenge Determinismus Spinozas,
     also die Ansicht, dass alles nach den Gesetzen von Ursache und Wirkung abläuft, lässt keinen Spielraum für eine Freiheit,
     die sich außerhalb der Kausalität stellt. Für Spinoza ist Freiheit nichts anderes als Anpassung an die ewigen Naturgesetze,
     sie ist »Einsicht in die Notwendigkeit«.
    Wahre Erkenntnis, Tugend und Glück: Sie fallen bei Spinoza in einer Haltung zusammen, in der sich der Mensch in das ewige,
     von Ursache und Wirkung bestimmte Weltsystem einfügt. Der Menschmuss sich zu der richtigen Sicht des Universums erheben, er muss sich als eins mit diesem Universum sehen.
    Dazu bedarf es einer speziellen Art von Erkenntnis. Spinoza unterscheidet zwischen der unzuverlässigen Erkenntnis der sinnlichen
     Wahrnehmung, der rationalen Erkenntnis mit Hilfe von Begriffen und schließlich der wichtigsten, nämlich der intuitiven und
     anschaulichen Erkenntnis. Diese dritte Erkenntnis ist es, die die Beziehung zwischen den Dingen und Gott unmittelbar erfasst.
    Spinoza verdeutlicht diese Art der Erkenntnis mit einem Beispiel aus der Mathematik: Sind die Zahlen 1, 2 und 3 gegeben und
     suche ich eine vierte Zahl, die zur dritten im gleichen Verhältnis steht wie die zweite zur ersten, so ist sozusagen »auf
     den ersten Blick«, ohne Räsonnieren und Schlussfolgern klar, dass es sich um die Zahl 6 handeln muss, also um das Doppelte
     von 3.
    In dieser anschaulichen und intuitiven Erkenntnis bestehen, so Spinoza, »das höchste Bestreben des Geistes und die höchste
     Tugend«. In ihr befinden sich Affekte und Vernunft in vollständiger Übereinstimmung. Indem sie das Wesen der Dinge erfasst
     und gleichzeitig dem Menschen Glück durch Seelenruhe vermittelt, hat sie sowohl etwas Visionäres als auch etwas Kontemplatives.
     In ihr betrachtet der Mensch die Welt »sub specie aeternitatis«, unter dem »Blickwinkel der Ewigkeit«, und er verwirklicht
     »die in der Erkenntnis ruhende Liebe des Geistes zu Gott«.
    Einordnung in die Weltvernunft, Seelenruhe und Gottesliebe: In Spinozas
Ethik
vereinigen sich die Glücksideale der antiken Philosophie und der monotheistischen Religionen zu einer neuen Art der weltfrommen
     Kontemplation. Es ist eine Weisheit, die, so Spinoza, »fast von jedermann vernachlässigt wird«, obwohl sie »leicht zur Hand
     und ohne viel Mühe gefunden werden kann«.
     
    Spinoza starb 1677, im Alter von nur vierundvierzig Jahren, an Lungentuberkulose. Noch im selben Jahr veröffentlichten seine
     Freunde seine nachgelassenen Werke, die
Opera Posthuma
, die auch die
Ethik
enthielten. Was Spinoza bereits vorausgesehen hatte, trat prompt ein: Am 25.   Juni 1678 wurde das Buch durch die Zensur verboten.
    Die Verleumdungen Spinozas und die Versuche, die Verbreitung seiner Schriften zu verhindern, dauerten auch noch das gesamte
     18.   Jahrhundert an. Die Faszination, die von Spinozas Einheitsphilosophie

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