Das neue Philosophenportal
und Sittlichkeit zusammengefasst sind, fand er auch Eingang
in Hegels
Phänomenologie des Geistes
und in seine
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften
.
Vor allem aber ist Montesquieu zu einem der großen politischen Vordenker des modernen Rechtsstaats geworden, in dem das Projekt
der Gewaltenteilung eine immer umfassendere Bedeutung angenommen hat: Die Lehre des »check and balance«, der Austarierung
und gegenseitigen Kontrolle von Interessen und Institutionen, ist zur Geschäftsgrundlage westlicher Demokratien geworden.
Für eine der wichtigsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, Hannah Arendt, bleibt Montesquieu unter den Theoretikern der politischen Moderne einzigartig in seiner Erkenntnis,
dass Freiheit und politische Machtstrukturen sich gegenseitig bedingen.
Wie viele Aufklärer träumte Montesquieu Träume der Vernunft. Doch es ist eine Vernunft, die sich mit Geschichtsbewusstsein,
Realitätssinn und pragmatischer Klugheit verschwistert hat. Sie hat uns das Gemeinwesen als ein ererbtes Haus sichtbar gemacht,
dem wir gleichzeitig eine stabile Statik und offene Lebensräume verleihen können, ohne an den Bauplänen einer unerfüllbaren
Utopie verzweifeln zu müssen.
Ausgabe:
Charles de Montesquieu: Vom Geist der Gesetze. 2 Bände. Übersetzt und herausgegeben von Ernst Forsthoff. Tübingen: Mohr (Paul Siebeck) 1992 (auch UTB).
Der Naturmensch im Laborversuch
Jean-Jacques Rousseau: Emile (1762)
Wären wir bessere Menschen, wenn uns Philosophen erzogen hätten oder wenn unsere Erziehung nach philosophischen Maßstäben
erfolgt wäre? Leise Zweifel sind hier wohl angebracht. Offensichtlich aber ist, dass Philosophen sich immer wieder Gedanken
um die richtige Erziehung gemacht haben und dass von der Philosophie wichtige und bleibende Impulse für die Pädagogik ausgegangen
sind, lange bevor es eine »Pädagogik« im heutigen Sinne gab. So hat Platon, einer der großen Klassiker der griechischen Philosophie,
in seinem Hauptwerk
Politeia
der Frage große Bedeutung zugemessen, wie denn die zukünftigen Herrscher seines Idealstaates erzogen werden sollten, und ein
ausgeklügeltes Erziehungsprogramm aufgestellt, in dem die Abfolge von körperlicher Ertüchtigung und geistiger Bildung genau
geregelt ist.
Derjenige Philosoph aber, der unbestritten den größten Einfluss auf unsere Vorstellungen von Erziehung gehabt hat, ist der
aus dem schweizerischen Genf stammende Jean-Jacques Rousseau. Rousseau ging es nicht um die Erziehung von »Funktionsträgern«,
um eine »Ausbildung« also, die uns in die Lage versetzen soll, bestimmte gesellschaftliche Aufgaben effektiv zu erfüllen.
Er wollte den Menschen zum
Menschen
erziehen, zu dem, was seine Würde ausmacht und seinen Fähigkeiten entspricht. Rousseaus Erziehungslehre ist damit Teil einer
Lehre vom Menschen und von seinem Verhältnis zu Kultur und Gesellschaft.
Dabei vollzieht Rousseau eine kulturgeschichtlich höchst einflussreiche Kehrtwendung: Nicht der zivilisierte Mensch ist Ziel
seines Erziehungsprogramms, sondern der natürliche Mensch, der von allemkünstlichen Ballast, den die Zivilisationsgeschichte angehäuft hat, frei ist. Von allen Menschen, denen wir begegnen, ist
es das Kind, der junge, unverbildete Mensch, der diesem natürlichen Menschen am nächsten kommt. Daher erhält das Kind mit
seinen ganz eigenen Verhaltensweisen und Bedürfnissen auf diesem Weg zur Natürlichkeit einen besonderen Stellenwert. Aus den
natürlichen Anlagen des Kindes den wahren Menschen zu bilden: Dies war im 18. Jahrhundert, in dem Kinder noch als kleine Erwachsene gemalt wurden und ihr Kindsein möglichst schnell ablegen sollten, ein
revolutionäres Experiment.
Das Buch, in dem Rousseau dieses Experiment vorführt, trägt selbst experimentelle Züge: Es ist eine Mischung aus Traktat,
Roman und Fallstudie. Zugleich ist es dasjenige Werk, das Rousseau für sein wichtigstes hielt. Es trägt den Titel
Emile
, benannt nach der Hauptfigur, dem Zögling Emile, der Gegenstand des Erziehungsexperiments ist.
Emile
führt vor, was aus dem Menschen werden kann, wenn man ihn von den schädlichen Einflüssen der Gesellschaft fernhält. Der Leser
erlebt den Naturmenschen im Laborversuch, von der Geburt bis zur Eheschließung.
Emile
veränderte unsere Auffassung vom Menschen grundlegend und wurde zur einflussreichsten Erziehungstheorie in der Geschichte
der Philosophie.
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