Das neue Philosophenportal
mittleren Mannesalter wurde er zu einer gefeierten
und zugleich umstrittenen öffentlichen Figur.
Der 1905 geborene Sartre verlor mit zwei Jahren seinen Vater und wuchs bei seinen Großeltern in La Rochelle am Atlantik auf.
Zum eigentlichen Erzieher wurde der Großvater Charles Schweitzer, ein Onkel von Albert Schweitzer. Als Deutschlehrer am Gymnasium
und Besitzer einer umfangreichen Bibliothek verschaffte er seinem Enkel früh den Eintritt in die Welt des Geistes. Der sozial
eher schüchterne, aber intellektuell frühreife Jean-Paul begann im Alter von sieben Jahren mit ersten literarischen Versuchen.
Mit zwölf hatte er sich bereits vom christlichen Glauben gelöst. Als vaterloses Einzelkind fühlte er sich in seiner eigenen
Familie fremd und einsam. Auch von seiner Umwelt sah sich der junge Sartre ausgestoßen, kritisiert undbedroht, eine Erfahrung, die später in seine Analyse der Beziehung des Menschen zu seinen Mitmenschen, den »Anderen«, einfloss.
Sartres Gefühl, ein Außenseiter zu sein, hinderte ihn jedoch nicht daran, sich in Schule und Studium durch seine Leistungen
auszuzeichnen. Mit neunzehn Jahren wurde er in die renommierte Eliteschmiede der École Normale Supérieure aufgenommen, die
er als Jahrgangserster abschloss. Hier lernte er auch seine spätere Lebensgefährtin Simone de Beauvoir kennen.
Sartres eigenes philosophisches Denken entwickelte sich, als er, nach einem zweijährigen Militärdienst und einer kurzen Zeit
als Philosophielehrer in Le Havre, ein Jahr am Institut Français in Berlin verbrachte. Er kam 1933 nach Deutschland, ausgerechnet
in dem Jahr, in dem Hitler die Macht ergriffen und die bürgerlichen Freiheiten abgeschafft hatte. Doch Sartres Aufmerksamkeit
galt weniger den politischen Verhältnissen, sondern vor allem der deutschen Philosophie. Er widmete sich dem Studium Edmund
Husserls, des Begründers der Phänomenologie, den er schon in französischen Übersetzungen kennen gelernt hatte und mit dem
er sich in den folgenden Jahren auseinandersetzte.
Husserl suchte das Wesen der Dinge nicht mehr hinter den Dingen, sondern in den Phänomenen selbst, in der Art, wie sie uns
erscheinen. Dabei knüpfte er an René Descartes an, den Begründer des neuzeitlichen Rationalismus. Descartes hatte den Akt
des »Ich denke« (»Cogito«) zum Ausgangspunkt jeder Erkenntnisgewissheit und auch der Selbstgewissheit des Menschen gemacht.
Auch Husserl nahm den Weg über die Bewusstseins- und Denktätigkeit des Menschen, doch dieses Bewusstsein war für ihn nicht
nur auf ein »Ich denke« beschränkt. Es war vielmehr immer ein »Bewusstsein von«, d. h. ein Bewusstsein, das auf einen Erkenntnisgegenstand gerichtet ist. Es gab für ihn kein reines Erkenntnissubjekt ohne die
Beziehung auf ein Erkenntnisobjekt. Diese typisch cartesianische Fragestellung, wie man über das Bewusstsein des Subjekts
zur Selbsterkenntnis und zur Erkenntnis der Welt gelangt, war es, die auch den jungen Sartre beschäftigte.
Als er nach Frankreich zurückkehrte, setzte er sich in mehrerenSchriften mit Husserl auseinander. Sartre ging es darum, sich von der Vorstellung zu verabschieden, das Ich sei der Ausgangspunkt,
der ursprüngliche Inhalt des Bewusstseins. Er glaubte zwar wie Husserl, dass unser Bewusstsein immer ein »Bewusstsein von«,
also ein auf Gegenstände gerichtetes Bewusstsein ist. Doch in diesem »Bewusstsein von« bei Husserl schien ihm immer noch die
Vorstellung eines Ich enthalten zu sein.
Sartre entwickelte stattdessen die Idee eines leeren Bewusstseins, eines »Ur-Bewusstseins«, das sich noch keines bestimmten
Inhalts bewusst ist. Weder die Vorstellung eines Ich noch der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt ist in ihm enthalten.
Dieses ursprüngliche Bewusstsein ist etwas Unpersönliches, Leeres, Spontanes. Das Einzige, dessen es sich bewusst ist, ist
die Tatsache, dass es existiert. In
Das Sein und das Nichts
bezeichnet Sartre dieses Ur-Bewusstsein als eine »Existenzfülle«, als ein Feld von Möglichkeiten, das die Vorstellung eines
Ich erst noch erwerben muss.
In dieser Spontaneität und Unausgefülltheit des ursprünglichen Bewusstseins liegt der Keim für Sartres Vorstellung von Freiheit.
Gemeint ist dabei nicht die politische Freiheit, die sich in bürgerlichen Rechten wie z. B. der Meinungsfreiheit ausdrückt. Es ist eine Freiheit, die der des Künstlers ähnelt, der seine Figuren frei erschaffen kann.
Entsprechend ist Sartres
Weitere Kostenlose Bücher