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Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen

Titel: Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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aber dieser Grundsatz legitimiert das Management als solches. Wie auch immer, der VP weiß jetzt, was er tun muss. Er muss einen Managementprozess aufsetzen und damit die Innovationen sprudeln lassen. Da er neu in der Innovation tätig ist, muss er sich erst »schlau machen« (der übliche Jargon für »noch keinerlei Ahnung«), wie das geht. Es gibt viele Bücher über Innovation – wie dieses auch. Da liest er über die Schaffung von innovativen Kulturen, von kollaborativer Innovation durch Teams im Internet, von Milliardeninvestitionen großer Firmenchefs in Neues, von Aufkäufen und vom Einsatz von Beratungsfirmen, die alles »ausrichten und auf Vordermann bringen« (Jargon). Er erkundigt sich bei Managern im Unternehmen, was er tun soll. Sie verweisen auf einen neuen Prozess. Er fragt die im Unternehmen bekannteren Beta-Tiere, was er tun könnte, die fordern unisono Möglichkeiten, einmal wirklich in Ruhe arbeiten zu können. Omegas fragt er nicht, weil er das politisch fürchtet.
    Dem VP stehen scheinbar alle Möglichkeiten der Welt offen, aber nur im Prinzip. Über allem aber steht seine Pflicht, nach den ersten drei Monaten Erfolge zu zeigen, zumindest einen Plan für einen Erfolg. Daher kann er nicht sagen: »Ich lasse die Innovatoren in Ruhe.« Das ist kein Erfolg. Er kann nicht anfangen, die Unternehmenskultur zu drehen, dazu muss er wahrscheinlich die Geschäftsführung auf die Hörner nehmen oder gar teilweise auswechseln. Das geht ja nicht! Dazu wird erwartet, dass er einen Prozess zur Erzeugung von Innovationen definiert! Welchen?
    Kennen Sie typische Aufstiegsmanager? In Stresssituationen kommensie irgendwie immer auf einen und denselben Gedanken, und der kommt dergestalt über sie: »Das Problem der Innovation haben doch viele Unternehmen, unseres kann doch nicht das erste sein. Da muss es doch Bewährtes geben. Ich muss doch das Rad nicht neu erfinden. Es hat doch auch in diesem Unternehmen schon frühere Versuche gegeben, mit etwas Glück haben ältere Mitarbeiter noch die PowerPoints früherer Versuche.«
    Stimmt! Die alten PowerPoints früherer gescheiterter Prozesse sind noch da. Die lässt er sich schicken. Ich habe selbst in verschiedenen Unternehmen in dieser Phase mehr oder weniger sarkastisch gefragt, warum ein früher gescheiterter Prozess nun ausgerechnet hier und heute erfolgreich sein könnte. Die Antwort des neuen High-Potential-VP ist
immer, wirklich jedes Mal
: »Weil
ich
jetzt hier bin, ich hatte sicher schwache Vorgänger.« (Die waren auch High Potentials.)
    Und dann rollt die übliche Prozesslawine ab:
Ideensammlung in allen Abteilungen des Unternehmens,
Evaluation der Ideen,
und so weiter wie der übliche
gemanagte Innovationsprozess

    Der VP wird mit Ideen zugeschüttet, denn am besten jeder Mitarbeiter schickt jetzt eine. Die sind fast durchweg nicht brauchbar, weil sie meist aus frommen Wünschen bestehen – in der Form: »Man sollte einmal …« Er beginnt zu verzweifeln. Nach außen gibt er sich siegessicher: »Die Aktion ist ein gigantischer Erfolg, ich bin stolz auf diese tolle Firma, die nur so vor Ideen strotzt. Wir werden jetzt alles auswerten und Aktionen einleiten.« Er merkt aber, dass sich kaum etwas umsetzen lässt. Für die guten Ideen würde er viel Geld benötigen, das hat er nicht … Nicht in diesem Quartal, und im nächsten Jahr will er befördert sein.
    Der Chef will zum Quartalsende Erfolge sehen, die hat er nicht. Da bauscht er schon existierende Innovationen, die es ja immer mal im Unternehmen gibt und die schon vor ihm und ohne ihn entstanden sind, als neue Innovationen auf und feiert sie stürmisch als Ergebnis seiner Innovationspolitik. Es ist die übliche Taktik der Politiker, die jede gute Tat in ihrem Land als Ausdruck ihres klugen Förderns und alles Böse als Erbschaft der Vorgänger hinstellen. Damit etwas zusätzlichNeues geschieht, setzt der VP Awards (Preise) und Boni für neue Innovationen aus, deren Gewinner im Oktober in einer feierlichen Zeremonie geehrt werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt sollte seine Beförderung schon beschlossen sein.
    Das wirklich Wunderbare ist immer wieder, dass der VP Innovation nach diesem wiederholten »Tag des Murmeltiers«, also nach einem Misserfolg auf Ansage, trotzdem befördert wird. Das wird weiter unten nie verstanden und erzeugt Unmut. Ich versuche eine Erklärung: Ein High Potential rackert sich zwar erfolglos ein Jahr ab, aber er lernt dadurch überhaupt alle wichtigen Manager des Unternehmens

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