Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
zunächst von ihm erwartet, dass er einen Gesamtplan erarbeitet, um die Innovation im Unternehmen voranzutreiben. Er muss ferner vorstellen, wie er die Innovation im Unternehmen organisiert, wie er »seinen Beritt aufstellt« (schöne Formulierung, gell?) und welche Ziele er sich Quartal für Quartal zu erfüllen verpflichtet.
Was jetzt kommt, können Sie sich am besten vorstellen, wenn Sie dieses Buch jetzt aus der Hand legen und beim Kaffee überlegen, wie Sie diese Aufgabe angehen würden, wenn ich Sie jetzt auf der Stelle zum VP Innovation ernennen würde. Sie bekommen zehn Leute. Was sollen die ab sofort tun? Was wollen Sie in drei Monaten im ersten Quartal erreicht haben? Wie wollen Sie beweisen, dass Sie erfolgreich waren und die in Aussicht stehende Beförderung verdient haben? Ihr Team kostet je nach Unternehmen 1 bis 2 Millionen Euro im Jahr, was leisten Sie dafür, bitte schön? So – jetzt Kaffee. Bis gleich!
Zurück? Sie werden festgestellt haben, dass Sie sich erst einmal einen Überblick über die Lage verschaffen müssen. Welche Innovationen werden gebraucht, an welchen Innovationen wird schon gearbeitet? Wie können Sie das alles beeinflussen? Wen müssen Sie beeinflussen? Sie werden feststellen, dass Sie kaum etwas tun können. Die Firma ist so groß und alle arbeiten hart. Wollen Sie jetzt bloß nach Neuem schreien? »Macht mehr Innovation!« Und was sollen die anderen dann tun? Denken Sie daran, dass Sie gerade High Potential sind, dass Sie dringend Karriere machen wollen und in schon drei Monaten das erste Quartal herum ist! Sehen wir es nüchtern – im Grunde »brennt die Hütte«. Wenn Sie in drei Monaten Erfolge nachweisen wollen, muss doch mitdem Erfolg schon jetzt gleich begonnen werden oder hätte bereits ohne Sie vor einem Jahr begonnen worden sein, aber wie? Wer tut etwas? Sie haben die Erlaubnis bekommen, im Unternehmen zehn Mitarbeiter in Ihr Team zu nehmen. Welche sind gut? Gibt es welche, die sich in Innovation auskennen? Der neue VP kann fast nichts tun. Er beginnt fast immer so (das ist normales strukturiertes Vorgehen im Management!):
Rundschreiben:
»Ich bin neu hier als VP Innovation.«
Präsentationen in allen Managermeetings:
»Innovation muss gefördert werden.«
Bestandsaufnahme (Assessment):
»Wo gibt es schon Innovation? Wer hat neue Ideen?«
Umfrage:
»Wer sind die besten Leute für mein Team?«
Problemanalyse:
»Warum haben wir nicht genug Innovation?«
Konzept:
»Wie bekommen wir planmäßig, strukturiert, konkret mehr Innovation?«
In einem größeren Unternehmen werden Rundschreiben kaum gelesen. Normale Mitarbeiter und innovative Experten, die frustriert sind, dass ihre innovativen Vorschläge meist vom Management abgewimmelt werden, schäumen geradezu vor Zynismus: »Aha, jetzt merken die da oben mal wieder, dass wir hier unten absolut gar nichts tun. Was hilft da ein VP? Der Neue hat jetzt wieder keine Ahnung.« Die besten Leute im Unternehmen wollen nicht zum VP ins Team wechseln, weil sie wissen, dass der Erfolg unsicher ist und der VP nach einem Jahr nach oben verschwindet – da werden sie am Jahresende vor dem Problem stehen, sich eine neue Aufgabe suchen zu müssen. Sie lehnen ab. Wenn sie aber doch wechseln wollen, weigert sich ihr derzeitiger Chef, sie abzugeben. Die guten Experten sind sehr rar, die lässt keiner ohne Widerstand ziehen. Nach vier Wochen hat der VP deshalb immer noch keinen einzigen Mitarbeiter. Da geht er zum Vorstandsvorsitzenden und klagt Teamgeist ein. Der Chef befiehlt, dass jeder Bereich ein oder zwei Mitarbeiter für Innovation benennt. Sofort! Hektische Sitzungen folgen, der VP bekommt zehn Mitarbeiter, die meistens eher die Abgeschobenen sind. Die Bereichsvorstände schicken nicht die Besten. »Ich würde ja gerne die Besten schicken, aber die stecken alle in wichtigenProjekten, ist doch klar, sie sind einfach die Besten. Wir können deshalb nicht einfach so innerhalb einer Woche einen der Besten herauslösen und transferieren.« In dieser Zeit kommen die ersten Antworten auf die Frage, warum es um die Innovation so schlecht bestellt ist. Die meisten Manager sagen natürlich nicht, dass es daran liegt, dass sie sich nicht darum kümmern. Oh nein, es gibt eine feine Antwort auf diese Frage! Die lautet: »Wir haben keinen strukturierten Geschäftsprozess für Innovation. Und da es nicht gemanagt wird, passiert auch nichts.« Dahinter steht der Managementgrundsatz:
Was nicht gemanagt wird, geschieht nicht.
Das stimmt zwar nicht,
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