Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
genehmigt worden. Nach der Reform der Kennzahlen fallen Sie leider aus dem Raster. Eigentlich schade.«
Ich bin überhaupt erstaunt, welche Vorhaben tatsächlich Geld zugewiesen bekommen. Ich sehe mir oft die Business-Cases von Innovatoren an, insbesondere die Umsatzschätzungen der nächsten fünf Jahre. Die sind so gut wie immer bombastisch zu hoch veranschlagt – für mein Gefühl. Meine Intuition, bestätigt durch ein bisschen Nachrechnen, sagt mir, dass der Umsatz immer gerade so hoch geschätzt wird, dass die bürokratischen Software-Tools eine Kreditgenehmigung gerade noch zulassen. Wieder geht es um Prozessbefriedigung. Eine Investition ist gut, wenn die Bürokratie sie genehmigt. Über Business und wirkliche Risiken wird kaum verhandelt. Die Business-Cases sehen alle gleich aus. Im ersten Jahr steigt der Umsatz um 100 Prozent, dann um 66 Prozent, dann um 45 Prozent, dann um 33, schließlich um 25 Prozent. Damit kann die Bürokratie leben. Wer an einen anderen Verlauf glaubt, hat es schwer und muss sich rechtfertigen, weil das »nicht normal ist«.
Doch genug mit der Äußerung meines Unverständnisses. Kaum eine Investition, die genehmigt wird, wäre eine, bei der ich selbst meine Ersparnisse guten Gewissens geben würde. Und ich wundere mich, warum es noch immer so viele Investitionsgelder gibt. Warum?
Außerhalb der Unternehmen wartet so viel Kapital auf Anlage! Viel mehr, als es solide Anlagen gibt. Dieses Kapital wandert dorthin, wo es relativ am besten angelegt ist, nicht einfach dahin, wo es
gut
angelegt ist.
Innerhalb der Unternehmen besteht ein Zwang, Geld in Innovationen zu stecken. Das will der VP Innovation, der die Innovationen managt. Er muss zeigen, dass in Innovationen investiert wird. Er hat überhaupt nicht die Option festzustellen, dass er gar keine profitablen Innovationen im Unternehmen sieht. Er ist ja dafür zuständig, dass es welche gibt. Also investiert er in die relativ besten, nicht nur in
gute
.
Die Forschungsförderungseinrichtungen müssen ihr Geld an die besten Projekte vergeben, dazu sind sie da … Es gibt gar nicht so viele gute Projekte, die viel Geld bringen. Oft werden die Förderrahmen nicht ausgeschöpft.
Nach gesundem Menschenverstand sollte man jedes Projekt finanzieren, das hohe Erträge erwarten lässt. Jedes! Man bekommt doch das Geld mehrfach zurück! Warum also gibt man nicht Geld an jedes gute Projekt? Die Antwort ist wohl, dass das dem VP Innovation und den Förderungsinstituten nicht richtig geheuer ist. Sie wissen insgeheim doch, dass »man eben Innovation fördern muss«, dass der Erfolg aber dürftig sein wird. Lesen Sie sich im Internet in den Erfolg von Fördermaßnahmen der Länder oder der EU ein. Dort heißt es immer wieder: »Es wird beklagt, dass so wenig dabei herauskommt. Es verwundert, dass es kaum Daten gibt, die den späteren Erfolg oder Misserfolg nach der Vergabe von Fördergeldern verfolgen und dokumentieren.«
Ich will sagen: In weiten Teilen werden die Finanzierungsfragen (noch) nicht professionell geklärt, die Entscheidungen fallen nach unendlicher Bürokratie dann am Schluss doch nach Bauchgefühl, »weil das Geld ja zugeteilt werden muss« oder »weil Anleger warten«. Der Innovator kann damit glücklich fahren, ja. Aber er muss sehr viel Arbeit in solche Business-Cases stecken – und am Ende glaubt er noch selbst, was drin steht. Es ist eine Sache, Umsatzkurven für die Kreditvergabe zu schönen und eine andere, ein richtiges Geschäft als Unternehmer zu führen.
Innovatoren müssen unternehmerisch handeln, aber sie werden wie Marionetten an halb verstandenen und kaum verständlichen Finanzierungsrichtlinien entlanggeführt. Innovatoren müssen eigentlich ungeheuer viel über Finanzfragen wissen, nicht aber über das Einhalten von bloßen Genehmigungsrichtlinien. Sie lernen das Finanzielle aus einem Blickwinkel der Investoren und Förderer kennen, nicht aber als Handwerk eines Unternehmers. In diesem Sinne bildet das Finanzthema eine weitere Barriere für das Neue.
Innovationslehren als Verkaufsschlager und teure Hoffnung
Weil Innovation so schwierig ist und so selten gelingt, muss sie doch irgendwie erlernbar sein – so denken alle. Ich habe meine Meinung schon dargelegt: Was eindringlich gelehrt wird, wird nicht gekonntund eigentlich nicht gewollt. Man sagt oft: »Wo ein Wille ist, ist ein Weg.« Es gibt leider eine heimliche Lieblingsthese im Management:
Mythos: Wo ein Weg ist, kommt der Wille schon nach, und alles geht
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