Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
einziges Mal ihrem Chef echt zu missfallen. Ich war ja auch Personalvorgesetzter und habe mit Erstaunen vermerkt, wie sehr jedes Wort von mir auf eine Menge Goldwaagen gelegt wurde. Ich habe immer wieder in unsinnige Interpretationsversuche meiner Äußerungen eingegriffen und Erklärungen abgegeben – ein schwaches Misstrauen blieb immer. »Wie hat er das wohl in Wahrheit gemeint?« Meistens »gar nicht«. Normale Mitarbeiter sind erstaunlich sensitiv, was ihre Arbeitsleistungen und ihre Karriereaussichten betrifft. Sie schielen zu jeder Seite, wer »besser« ist, wer drankommt, wer welchen Teiljob bekommt. Es sieht wie bei einer Fußballmannschaft aus. Wer wird aufgestellt? Wer bekommt einen Bonus? Wer hat einen Stammplatz in der Elf? Wer bekommt welches Gehalt? Welchen Vertrag? Was steht in der Zeitung? Was sagt der Trainer öffentlich?
Und was möchte so ein Trainer? Na, Leute, die einfach gewinnen und dafür alles zu lernen bereit sind und leidenschaftlich gerne ihre 10 000 Stunden trainieren! Der Trainer sagt: »Uns fehlt die beherrschende, antreibende Führungsspielerpersönlichkeit, die den Sieg holt.«
Im Management eines Unternehmens finden wir das gleiche Bild: Wer bekommt welchen Job? Ist das ein gutes Zeichen? Steht eine Beförderung im Raum? Wird etwas als Versagen angekreidet? Welche Posten versprechen risikolosen Aufstieg? Welche verlangen wichtige Entscheidungen, von denen vieles abhängt – besonders wenn sie keine guten Konsequenzen haben?
Wer solche Angst hat, irgendwo anzuecken, wer »karrieregeil« ist und immer zu sehr darauf sieht, was aus ihm selbst wird – der scheitert mit Innovationen fast immer. Ich kenne auch viele, die sich aus Innovationen deshalb heraushalten, weil sie sich lächerlich machen könnten. Sie fürchten, in ein schiefes Licht zu geraten, wenn sie etwas »Seltsames« vorantreiben. Ich selbst bin oft als Querdenker bezeichnet worden, womit man unter vorgehaltener Hand dann »Hofnarr« meinte. Gefallen hat es mir wahrlich nicht, aber das gehört alles dazu. Wer’s nicht mag, soll die Segel streichen. Unternehmer im Unternehmen sind oft gefährdet, als Revolutionäre wahrgenommen zu werden (als Omega-Tiere, die ich hier im Buch schon vorstellte). Omegas riskieren wirklich die Karriere – sie bewegen sich auf dünnem Eis.
Riskieren Sie Geld? Sind Sie bereit, als Jungunternehmer ein paar Jahre ärmlich zu leben? Und ich fragte schon: Sind Sie bereit, Ihr Haus für eine Neugründung zu verkaufen und Konflikte in Ihrer Familie zu erzeugen? Oder kurz, immer wieder: Wollen Sie wirklich? Haben Sie genug Willensstärke oder Umsetzungskompetenz? Lassen Sie sich nicht unterkriegen? Oder mit dem richtigen psychologischen Fremdwort: Haben Sie eine hohe Volition, also die Fähigkeit, Motive und Absichten in Ergebnisse umzusetzen? Sind sie »excellent in execution«, während um Sie herum ständig alle jammern, dass es nur noch an der Umsetzung hapert?
Und neben dem reinen Wollen müssen Sie sich ständig selbst fragen: Sind Sie gut genug? Haben Sie genug geübt? Haben Sie alles getan, um Meister zu werden? Ich erinnere mich immer wieder an das
Buch der
fünf Ringe
des berühmten Samurai Musashi. Ich erinnere mich heute noch, vielleicht 20 Jahre nach dem Lesen, an Sätze wie diese (ich zitiere sie nicht, ich nehme sie aus meinem Kopf, wo sie so eingebrannt sind, wie ich sie jetzt niederschreibe):
Übe deine Kunst, als wollest du sie selbst erfinden.
Tue es alles so, als ob es sonst keiner kann.
Übe so hart und lange, als würdest du die Lehre selbst entwickeln wollen.
Übe so beharrlich, als seiest du selbst verantwortlich für die Entdeckung des wahren Weges.
Ach, so müsste man studieren! Als ob man das Recht, die Musik oder den Sinn des Lebens neu entdecken wollte! Und so muss man Innovation betreiben, so, als ob es sonst keiner tut, wenn wir es nicht selbst tun. Man muss einen gewissen Fanatismus oder eine Besessenheit mitbringen – oder auch Liebe oder Euphorie. In Neudeutsch: »Passion for the business«. Richtige Innovatoren wollen es wirklich wissen!
Geschäftssinn
Wer dann nach »10 000 Stunden« Meister geworden ist, wer alles erfunden und gebaut hat, muss trotzdem noch Geld damit verdienen. Selbst mit normalem Business muss man seinen guten Schnitt machen können! Aber für Innovationen braucht es einen enorm höheren Grad an Geschäftstüchtigkeit oder besser Geschäftssinn. Den aber bekommt man nicht plötzlich oder einfach »geschenkt«, nur weil man eine
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