Das Nibelungenlied
er bestattet wurde · las und sang man da:
Hei! was man guter Pfaffen · bei seinem Grabgange sah!
Bevor da zu dem Grabe · kam das getreue Weib,
Rang sie mit solchem Jammer · um Siegfriedens Leib,
Daß man sie mit Wasser · vom Brunnen oft begoß:
Ihres Herzens Kummer · war ohn' alle Maßen groß.
Es war ein großes Wunder · daß sie zu Kräften kam.
Es halfen ihr mit Klagen · viel Frauen lobesam.
»Ihr, meines Siegfrieds Mannen« · sprach die Königin,
»Erweist mir eine Gnade · aus erbarmendem Sinn.
»Laßt mich nach meinem Leide · die kleine Gunst geschehn,
Daß ich sein schönes Angesicht · noch einmal dürfe sehn.«
Da bat sie im Jammer · so lang und so stark,
Daß man zerbrechen mußte · den schön geschmiedeten Sarg.
Hin brachte man die Königin · wo sie ihn liegen fand.
Sein schönes Haupt erhob sie · mit ihrer weißen Hand
Und küßte so den Toten · den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen · vor Leide weinten sie Blut.
Ein jammervolles Scheiden · sah man da geschehn.
Man trug sie von dannen · sie vermochte nicht zu gehn.
Da lag ohne Sinne · das herrliche Weib:
Vor Leid wollt' ersterben · ihr viel wonniglicher Leib.
Als der edle Degen · also begraben war,
Sah man in großem Leide · die Helden immerdar,
Die ihn begleitet hatten · aus Nibelungenland:
Fröhlich gar selten · man da Siegmunden fand.
Wohl mancher war darunter · der drei Tage lang
Vor dem großen Leide · weder aß noch trank;
Da konnten sie's nicht länger · dem Leib' entziehen mehr:
Sie genasen von den Schmerzen · wie noch mancher wohl seither.
Achtzehntes Abenteuer
Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb
Der Schwäher Kriemhildens · ging hin, wo er sie fand.
Er sprach zu der Königin · »Laßt uns in unser Land:
Wir sind unliebe Gäste · wähn' ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue · nun folgt uns zu dem Lande mein.
»Daß man in diesen Landen · uns so verwaiset hat
Eures edeln Mannes · durch böslichen Verrat,
Ihr sollt es nicht entgelten · hold will ich euch sein
Aus Liebe meines Sohnes · und des edeln Kindes sein.
»Ihr sollt auch, Frau, gebieten · mit all der Gewalt,
Die Siegfried euch verstattete · der Degen wohlgestalt.
Das Land und auch die Krone · soll euch zu Diensten stehn.
Euch sollen gern gehorchen · die in Siegfriedens Lehn.«
Da sagte man den Knechten · »Wir reiten heim vor Nacht.«
Da sah man nach den Rossen · eine schnelle Jagd:
Bei den verhaßten Feinden · zu leben war ein Leid.
Den Frauen und den Maiden · suchte man ihr Reisekleid.
Als König Siegmund gerne · weggeritten wär'
Da baten Kriemhilden · ihre Freunde sehr,
Sie sollte bei der Mutter · im Lande doch bestehn.
Da sprach die Freudenarme · »Das könnte schwerlich geschehn.
»Wie vermöcht' ich's, mit den Augen · den immer anzusehn,
Von dem mir armen Weibe · so leid ist geschehn?«
Da sprach der junge Geiselher · »Liebe Schwester mein,
Du sollst bei deiner Treue · hier mit deiner Mutter sein.
»Die dir das Herz beschwerten · und trübten dir den Mut,
Du bedarfst nicht ihrer Dienste · du zehrst von meinem Gut.«
Sie sprach zu dem Recken · »Wie könnte das geschehn?
Vor Leide müßt' ich sterben · wenn ich Hagen sollte sehn.«
»Dessen überheb' ich dich · viel liebe Schwester mein.
Du sollst bei deinem Bruder · Geiselher hier sein;
Ich will dir wohl vergüten · deines Mannes Tod.«
Da sprach die Freudlose · »Das wäre Kriemhilden not.«
Als es ihr der junge · so gütlich erbot,
Da begannen auch zu flehen · Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde · sie möchte da bestehn:
Sie hätte wenig Sippen · unter Siegfriedens Lehn.
»Sie sind euch alle fremde« · sprach da Gernot.
»Wie stark auch einer gelte · so rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schwester · und tröstet euern Mut:
Bleibt hier bei euern Freunden · es gerät euch wahrlich gut.«
Da gelobte sie dem Bruder · im Lande zu bestehn.
Man zog herbei die Rosse · denen in Siegmunds Lehn,
Als sie reiten wollten · gen Nibelungenland;
Da waren auch aufgeladen · der Recken Zeug und Gewand.
Da ging König Siegmund · vor Kriemhilden stehn
Und sprach zu der Frauen · »Die in Siegfriedens Lehn
Warten bei den Rossen · reiten wir denn hin,
Da ich gar so ungern · hier bei den Burgunden bin.«
Frau Kriemhild sprach: »Mir raten · hier die Freunde mein,
Die besten, die ich habe · bei ihnen soll ich sein.
Ich habe keinen Blutsfreund · im Nibelungenland.«
Leid war es Siegmunden · da er dies an Kriemhild fand.
Da
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