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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Robertson
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nur hier sitzt, weil er unbedingt mal allein sein will, ist undenkbar.
    Über der Bank brannte eine Straßenlaterne. Sie gab nicht viel Licht, aber doch genug, dass Benedict das Foto in seiner Hand sehen konnte. Nicht dass er Licht bräuchte, dachte er. Dieses Foto hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, weil es das einzige ist, das ich habe.
    Das Foto zeigte ihn als Vierjährigen mit seiner Mutter am Strand. Benedict wusste nicht mehr, wo es aufgenommen worden war– Cornwall? Devon? Eigentlich erinnerte er sich kaum an den Tag. Er fragte sich, ob er sich nur daran erinnerte, weil er das Foto immer bei sich hatte, seit er mit elf ins Internat gekommen war. Es war ein kleines Bild, leicht zu verstecken, sonst hätte er es niemals mitgenommen. Ich war zwar kein Muttersöhnchen, dachte er, aber die Gefahr, dafür gehalten zu werden, war viel zu groß. Nie hätte ich es offen gezeigt.
    Woran er sich erinnerte, war auf dem Foto festgehalten: Er und seine Mutter bauten zusammen eine Sandburg. Sie trug einen blauen Badeanzug (sein Vater hätte ihr niemals einen Bikini erlaubt) und einen Strohhut mit breiter Krempe und künstlichen Blumen, den sie im Scherz ihren Eselsohrenhut nannte. Der Fotograf hatte sie aufgenommen, wie sie auf den Knien vor der Burg saß und sorgfältig aus feuchtem Sand das letzte Türmchen baute. Benedict saß, ebenfalls auf Knien, neben ihr, hielt ein gelbes Fähnchen in der Hand und wartete darauf, es triumphierend in das Türmchen zu stecken und die Burg für fertig zu erklären. Seine Miene zeigte eine Mischung aus Ungeduld und Angst: ungeduldig, das Fähnchen zu platzieren, ängstlich, das Türmchen könnte dabei in sich zusammenfallen und sie müssten wieder von vorn anfangen.
    Ich hab keine Ahnung, woher ich die Fahne hatte. Hat sie sie mir vielleicht gekauft? Unwahrscheinlich, dass er es tat.
    Ich weiß, dass mein Vater das Foto gemacht hat. Aber weil ich ihn nicht sehe, dachte Benedict, kann ich einfach so tun, als wäre er nicht dabei gewesen. In meiner Erinnerung waren meine Mutter und ich allein, in ein vergnügtes einfaches Spiel vertieft.
    Ich wünschte, ich könnte Kontakt zu dir aufnehmen, sagte er zu der Frau auf dem Foto. Aber ich will es ihm nicht noch leichter machen. Du weißt ganz sicher, dass das der Grund ist, und ich hoffe, du verstehst es.
    Ich hoffe, du hast mir verziehen, dass ich nicht mutiger bin.

28
    » Nicht hingucken«, murmelte Mo zu Connie gewandt. » Nicht hingucken, nicht hingucken, nicht…«
    » Ah, da ist ja Becca!« Connie winkte.
    » Verdammter Mist! Nicht hingucken, hab ich gesagt!«
    Connie beugte sich vor. » Das Restaurant ist klein, und wir sitzen direkt am Eingang. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns nicht sieht, ist mehr als gering.«
    » Weil sie den bösen Laserblick hat«, erwiderte Mo. » Ein teleskopisches Zielfernrohr wie alle Miststücke.«
    » Schsch«, sagte Connie. » Sie kommt rüber.«
    » Du«, entgegnete Mo, » bist gerade an der Spitze meiner schwarzen Liste gelandet.«
    » Connie. Wie nett, dich zu sehen.«
    Becca tauchte an ihrem Tisch auf. Sie trug ein wahrhaft minimalistisches grauschwarzes Bahnenkleid mit langen Ärmeln. Es endete direkt über ihren Knien, die Mo an Rosies Zähne erinnerten, wenn sie kurz davor waren, durchs Zahnfleisch zu dringen: Auf die gleiche Weise schienen Beccas Kniescheiben gegen die Haut zu drücken, als wollten sie jeden Moment hervorbrechen. Mo dachte, dass Beccas straff in einem hohen Pferdeschwanz zurückgebundenes Haar eindeutig auch als Facelifting diente. Ich hoffe nur, das Gummiband ist robust, denn wenn es reißt, wird ihr Gesicht in sich zusammenfallen wie ein missglücktes Soufflé.
    Becca beugte sich vor, um die Luft neben Connies Wange zu küssen. Mo beobachtete, dass sie zwar lächelte, aber starr und gezwungen– lediglich der Form halber. Beccas wahre Gesinnung verrieten nur ihre Augen, die durch den Raum wanderten. Auf der Suche nach Personen, die wichtiger sein könnten als wir, stellte Mo fest. Und natürlich nach Feinden– genau wie die Zylonen in der alten Version von Kampfstern Galactica.
    O Gott, jetzt bin ich dran, dachte Mo, als Becca in ihre Richtung lächelte. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder tut sie so, als hätte sie vergessen, wer ich bin, damit ich mich fühle wie ein nichtswürdiges Etwas, oder sie macht eine spitze Bemerkung über mein Benehmen beim Geschäftsessen, damit ich mir vorkomme wie eine fette Säuferin.
    » Mo«, sagte Becca. » Ihr Name war doch Mo,

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