Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
funktionieren? Was isst er eigentlich? Ich hab die gesamte letzte Woche extra nicht gekocht, und der Bastard hat nicht mal was gesagt! Und kommt er immer so spät? Was, wenn nicht, und es ist was passiert? Wie soll ich das wissen– er sagt mir ja nie, wann er nach Hause kommt. Wie kann er mir das antun!
Sie überlegte kurz, ihn über Handy anzurufen, doch dann meldete sich ihr Stolz, und sie verwarf die Idee. Ich werde ihn nicht anrufen, Gott verdammt noch mal!, entschied sie. Er muss mich anrufen! Ja, sogar noch um– wie viel Uhr ist es?–, um zehn vor zwölf, verdammt noch mal!
Da hörte sie, wie die Haustür aufgeschlossen wurde, und war einen Moment lang unschlüssig, ob sie nach unten eilen und ihn umarmen oder ihm einen rechten Haken verpassen wollte. Sie entschied abzuwarten, was er tat. Wenn er sofort ins Bett kam, würde sie vielleicht mehr Nachsicht zeigen…
Zehn Minuten später drang gedämpftes Gemurmel aus dem Fernseher zu ihr hoch. Alles klar!, schäumte Mo. Das war’s!
» Was zum Teufel machst du da?«, bellte sie, als sie ins Wohnzimmer kam.
Chad lag lang ausgestreckt auf der Couch. Jackett und Krawatte hatte er über einen Stuhl geworfen, die Füße auf die Couchlehne gelegt. Die Schuhe hatte er noch an. In der einen Hand hielt er die Fernbedienung, in der anderen eine Dose.
» Was ist das, verdammt noch mal!« Mo zeigte auf die Dose. » Etwa Bier ?«
Chad blickte zwischen ihrem Finger und der Dose hin und her. » Sieht so aus.«
Mo hatte nie darüber nachgedacht, woher der Ausdruck » vor Wut platzen« kam, aber jetzt dämmerte es ihr. Wie heiße Luft stieg die Wut in ihr auf und blähte sie buchstäblich auf. Gleichzeitig rangen so viele Sätze in ihrem Kopf gleichzeitig um Vorherrschaft, dass sie nur ein leises, unartikuliertes Quieken herausbrachte.
» Nicht«, sagte Chad.
Er hielt die Fernbedienung Richtung Fernseher und der Bildschirm wurde leise bizzelnd schwarz. Langsam schwang Chad die Beine von der Couch und stand auf. Da Mo nur einen Meter fünfundsechzig groß war, starrte sie plötzlich auf seine Brust.
» Nicht«, sagte er, als sie den Mund wieder öffnete. » Nicht jetzt.«
Seine Stimme war leise und neutral, genauso ausdruckslos wie sein Gesicht, mit dem er sie anstarrte. Er setzte die Dose an die Lippen und trank einen Schluck. Dann drehte er sich um und ging in die Küche.
Mo spürte, wie die Wut in ihr erstarb. Ihr Verstand sagte ihr, dass er jedes Recht der Welt hatte, in Ruhe gelassen zu werden, und dass sie noch dankbar sein konnte, weil er so höflich darum gebeten hatte. Aber in ihrem Magen machte sich Angst breit. Seine Reaktion war ein Schock für sie gewesen. Es hatte nicht die geringste Verbindung zwischen ihnen gegeben. Chad hatte ihr Protestgeschrei immer über sich ergehen lassen, selbst wenn es, wie sie zugeben musste, weniger gerechtfertigt war als jetzt. Er hatte ihr immer zugehört, wenn auch nicht gerne, so doch zumindest geduldig. Mit leichtem Schock wurde Mo klar, dass ihm immer wichtig gewesen war, was sie aufbrachte, ganz gleich wie ernst oder belanglos es war. Es war ihm immer wichtig gewesen, sie glücklich zu machen…
Sie hörte, dass Chad in der Küche den Kühlschrank aufzog. Sie hörte Plastik knistern– wahrscheinlich die Brottüte– und die Kühlschranktür wieder zufallen. Ein Schrank wurde geöffnet und wieder geschlossen. Erdnussbutter?, fragte sich Mo. Harry und Chad aßen Erdnussbutter für ihr Leben gern. Sie erinnerte sich noch an den kleinen Aufruhr, als ein neues Kind in Harrys Spielgruppe gekommen war und dessen Mutter verkündet hatte, dass sämtliche Erdnussprodukte sowie Lebensmittel, die innerhalb eines Radius’ von hundert Kilometern damit in Berührung gekommen waren, fürderhin verboten seien, weil ihr Sohn an einer Allergie leide. Immerhin muss er nicht glutenfrei essen, hatte Mo Chad zugemurmelt. Sonst müsste ich ihn im Bällebecken ersticken.
Früher hatten sich Chad und Harry immer zusammen Erdnussbutter-Sandwiches gemacht…
Zu ihrem Entsetzen spürte Mo, wie ihr die Tränen kamen. Mach dich nicht lächerlich, schalt sie sich. Du bist doch kein Baby mehr. Wir sind doch erwachsene Menschen. Also geh und klär das auf der Stelle.
Chad lehnte an der Küchentheke und kaute bedächtig ein Sandwich. Als Mo eintrat, wanderte sein Blick zu ihr. Früher hatte er sie bei den seltenen Gelegenheiten, in denen er anderer Meinung war als sie, immer mit müden Blicken angefleht, nicht zu grob mit ihm umzuspringen. Davon
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