Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
war jetzt nichts zu sehen. Seine Miene war zwar nicht feindselig, aber auch in keinster Weise versöhnlich. Eigentlich hatte Mo zu ihm gehen und ihn umarmen wollen. Jetzt beschloss sie, auf Abstand zu bleiben.
» Ich werde nichts sagen«, erklärte sie, » aber wir müssen reden. Also: wann?«
» Ich kann an der Arbeitszeit nichts ändern, MoMo«, sagte er. » So ist es jetzt eben.«
Mo zählte im Stillen bis zehn. » Gut, aber wenn wir weiterhin Mann und Frau sein wollen und du deinen Kindern ein Vater sein willst, brauchen wir einen Plan. Du musst Zeit für Harry und Rosie finden, und wir brauchen auch Zeit für uns.« Unwillkürlich hob sie die Stimme. » Ich meine, Herrgott noch mal! Wir hatten seit Wochen keinen Sex mehr!«
Chad hatte gerade einen Bissen Sandwich hinuntergeschluckt. » Du schläfst ja immer schon.«
» Weil du ständig erst um Mitternacht nach Hause kommst, verdammt noch mal!« Mo holte tief Luft, um sich zu beruhigen. » Aber morgens schlafe ich nicht. Ich stehe mit dir zusammen auf. Zumindest unter der Woche und samstags. Am Sonntagmorgen dagegen schläfst du wie ein Toter, wenn ich das mal sagen darf! Da haben wir also Zeit«, fuhr sie fort. » Harry und Rosie schlafen meisten bis um sieben.«
» Ich darf den Bus nicht verpassen«, sagte er nach kurzem Schweigen.
» Ich bitte ja nicht um zehn Stunden tantrische Exzesse! Stell den Wecker einfach eine Viertelstunde früher! Das ist doch sicher nicht zu viel verlangt!«
Das letzte Stück Sandwich verschwand in seinem Mund. Er kaute und schluckte. » Jeden Morgen?«
» Nein! Nur an einem! Such dir einen aus.«
Chad starrte sie an. » Sex nach Stundenplan«, meinte er.
» Besser als gar keiner«, gab Mo zurück. » Oder?«
Ihr Mann antwortete nicht. Er ging zur Spüle und wusch sich die Hände. Mo merkte, dass ihr wieder die Tränen kamen und versuchte, sie hinunterzuschlucken.
Chad hatte ein Küchentuch genommen und trocknete sich die Hände. Das würde seine Mutter nicht billigen, dachte Mo. Nichts von alledem.
Mo stand immer noch auf der Türschwelle. Chad hatte das Küchentuch weggelegt und kam jetzt auf sie zu. Er konnte nicht an ihr vorbei, ohne sie zu berühren. Einen kurzen Moment spürte sie die Wärme seines Körpers und seinen vertrauten Geruch, und plötzlich überkam sie der Drang, ihn zu packen, sich an ihn zu schmiegen und ihr Gesicht an seiner Brust zu vergraben.
Aber Chad ergriff die Initiative. Er blieb stehen und starrte sie mit einem Ausdruck an, der unbeteiligt neugierig wirkte wie der eines Wissenschaftlers. Plötzlich beugte er sich ruckartig vor und küsste sie. Der Kuss war etwas zu fest und aggressiv. Er schmeckte nach Erdnussbutter und Bier. Chad presste sich an sie, sodass Mo seine Erregung spüren konnte. Diesen Augenblick, wenn sie merkte, wie sehr er sie begehrte, hatte sie immer geliebt. Sie hatte es immer genossen, Chad auf Touren zu bringen. Nur wusste sie nicht mehr, wie es sich beim letzten Mal angefühlt hatte, als sie es getan hatte. So irgendwie nicht.
Er beendete den Kuss und streichelte mit dem Mund ihr Ohr. » Komm«, murmelte er und nahm sie an der Hand.
Im Bett brauchte er länger als eine Viertelstunde, doch als es vorbei war, strich er ihr übers Haar, küsste sie sanft, rollte sich auf den Rücken und schlief ein.
Mo lag da und starrte mit offenen Augen in die Dunkelheit.
Ich hab doch bekommen, was ich wollte, sagte sie sich. Warum fühlt es sich so an, als hätte ich verloren?
6
Ich kann nicht mehr mit ihm reden. Ständig schreie ich ihn an. Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich zu meinem Sohn durchdringen soll.
Es war das erste Mal, dass Aishe sich das eingestand, es war jedoch kein Punktsieg in Sachen Aufrichtigkeit. Stattdessen verspürte sie Panik, die ihrer Erfahrung nach schnell zu einem anderen Gefühl führen würde: Wut. Und wenn sie wütend war, wollte sie das an jemandem auslassen. Aberhatte das Ganze nicht genau so angefangen?
Zwanzig Minuten zuvor war Aishe, noch in Kellnerkluft, von ihrer Morgenschicht im Country Kitchen zwei Ortschaften weiter nach Hause gekommen. Viermal die Woche ging sie dorthin, obwohl sie den Job nicht sonderlich mochte und er schlecht bezahlt war. Aber er warf was ab, und Aishe konnte das bisschen Extrageld gut gebrauchen. Sonst gäbe es keine Tacos mehr, keine DVD s und keinen Kaffee im örtlichen Café. Es würde gerade mal für Benedict reichen.
Sorry, Frank, dachte sie, ich hätte mit dem Geld, das du mir hinterlassen hast, schlauer
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