Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Und ich könnte dir sagen, wohin du dir deinen Rat stecken kannst!«
» Ich war auch mal ein vierzehnjähriger Junge«, sagte Benedict. » Ist zugegeben schon ein Weilchen her. Aber ich kann mich immer noch daran erinnern.« Er lächelte. » Du hast doch sicher auch noch nicht vergessen, wie es mit vierzehn war?«
Aishe schüttelte den Kopf. » Nein. Habe ich nicht.« Sie presste die Lippen zusammen. » Aber wenn er auch nur ansatzweise so wird wie ich in diesem Alter, dann muss ich vielleicht ernsthaft darüber nachdenken, ihn sterilisieren zu lassen.«
Das kleine Ortszentrum lag nur eine halbe Meile entfernt, und sie beschlossen zu Fuß zu gehen. Es war ein herrlicher Tag: trocken, warm, aber nicht zu heiß. Die Straße war von hohen Redwoodbäumen gesäumt, die schnurgerade in den Himmel ragten, mit ihren Wurzeln den Asphalt sprengten und sowohl Fahrbahn als auch Bürgersteig verengten.
» Bin ich die Einzige, die den Geruch hier mag?«, fragte Aishe. » In unserem Garten in London gab’s Flieder und Linden, aber das hier riecht besser. Frischer. Fast wie Kräuter.«
» Fast ist gut«, sagte Benedict und wies nach oben. » Das sind kalifornische Lorbeerbäume, die mit unserem Küchenlorbeer verwandt sind. Sie werden zwar hoch, haben aber sehr flache Wurzeln. Deshalb sind sie bei starkem Wind nicht besonders standfest.«
Aishe zog eine Augenbraue in die Höhe. » Du siehst mir aber nicht wie ein Baumbesetzer aus.«
» Ich hab mal einen Kurs in Gartenbau angefangen«, erklärte Benedict. » In Schweden.«
» Angefangen?«
Benedict sah sie an. » Die meisten hätten sich auf den Schwedenteil in diesem Satz gestürzt.«
» Ich war schon in Schweden«, erwiderte Aishe. » Ein schwer analfixiertes Volk, mal abgesehen von den Zeiten, in denen sie nackt und besoffen sind.«
» Und kalt ist es da. Ich hab mir die meiste Zeit die Eier abgefroren.«
» Bist du deshalb nicht geblieben?«, fragte Aishe. » Weil du mit dem Winter nicht klarkamst?«
Benedict schaute nach oben, als der schrille Schrei eines Eichelhähers über ihnen ertönte. » Nein. Ich wollte einfach nur einen Schritt voraus sein.«
» Vor was?«, fragte Aishe.
» Eher vor wem«, sagte Benedict.
» Ist dir Interpol auf den Fersen?«, fragte Aishe grinsend.
» Aber nein«, antwortete Benedict leichthin. » Viel, viel schlimmer.«
Aishe verzog das Gesicht, sie war allergisch dagegen, auf den Arm genommen zu werden. Doch bevor sie ihm vorwerfen konnte, nur ausgemachte Pferdescheiße zu erzählen, ertönte von hinten ein lautes Hola! und ein Mann in einem Liegerad radelte mit gestreckten Beinen, den Kopf auf Höhe ihrer Oberschenkel, an ihnen vorbei. Benedict erhaschte einen Blick auf graumeliertes Haar, große, traurige, braune Augen und ein breites, fröhliches Grinsen.
» Hola, Angel«, rief Aishe, als er an ihnen vorbeifuhr.
» Wer in aller Welt war das?«, fragte Benedict stirnrunzelnd.
» Angel.«
» Ja, das ist mir schon aufgegangen. Der entscheidende Hinweis war, dass du ihn ›Angel‹ genannt hast.«
Aishe ignorierte ihn. » Ihm gehören ein paar Häuser im Viertel. Ich geh manchmal einen Kaffee mit ihm trinken. Mit ihm und seinen Freunden.«
» Ist der gestört?« Benedict starrte die Straße hinunter, wo man das gelbe Fähnchen des Liegerades fröhlich flattern sah. » Oder hält er das wirklich für eine sinnvolle Fortbewegungsart?«
» Es macht ihm Spaß, nehme ich an«, sagte Aishe achselzuckend. » Außerdem schert er sich einen Dreck um die Meinung anderer Leute, was ebenfalls ganz hilfreich ist.«
Sie hatten die Kreuzung zwischen der baumbestandenen Straße und der Hauptstraße des Orts erreicht. Das Café lag fast direkt gegenüber von ihnen zwischen dem Schaufenster eines Innenarchitekten und einem Dekoladen mit französischer Landhauskeramik und einer Bar namens The Silver Saddle, mit Harley Davidsons davor und Spucknäpfen im Innern. Dieser Kontrast war einer der Gründe, warum sich Aishe von allen hübschen Ortschaften in Marin County ausgerechnet diese ausgesucht hatte. Es gefiel ihr, dass sie alles hatte, was eine Kleinstadt bieten sollte: eine anständige Bibliothek, ein funktionierendes Postamt und ein viel genutztes Rathaus. Es gab einen guten Mexikaner, einen Waschsalon und einen Donut-Laden. Doch bei aller Normalität gab es auch zahlreiche Belege für das Phänomen, das Aishe als Kaliforneurose bezeichnete: Läden voller winziger Kissen, deren einziger Daseinszweck darin bestand, dass sie farblich zu den
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