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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Robertson
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Gründe gab, warum er sich zu Aishe hingezogen fühlte. Wir sind beide Einzelgänger, dachte er. Ich möchte wetten, sie glaubt, dass sie es freiwillig ist. Aber das bezweifle ich. Ich glaube eher, es ist eine Notwendigkeit für sie, eine Überlebensstrategie, was bedeutet, dass wir mehr gemeinsam haben, als sie weiß.
    Benedict merkte plötzlich, dass seit Aishes Frage schon eine ganze Weile verstrichen war. Sie hatte die Daumen in die Gürtelschlaufen ihrer Jeans gehakt und starrte ihn mit schräg gelegtem Kopf ernst an.
    Ich könnte ihr alles erzählen, dachte Benedict. Ich könnte ihr all die Gründe nennen, warum es mir etwas ausmacht, wie sie mich sieht. Aber wahrscheinlich lautet die ehrliche Antwort, dass ich einsam bin und mich verzweifelt nach ein bisschen menschlicher Wärme sehne. Und dafür schäme ich mich.
    Also antwortete er: » Ich glaube, es ist besser für Gulliver, wenn wir beide miteinander auskommen.«
    » Das«, sagte Aishe nach vielsagendem Schweigen, » ist eine passiv-aggressive Schleimscheißerphrase. Langsam bekomme ich den Eindruck, das Einzige, was du drauf hast, sind Ausweichmanöver. Hast du dazu was zu sagen?«
    » Nein«, erwiderte Benedict leichthin. » Wahrscheinlich hast du recht.« Er rückte seinen Rucksack zurecht. » Mein Bus kommt gleich. Wir sehen uns morgen.«
    Aishe sah ihm nach, wie er rasch zur Ecke ging und dann dahinter verschwand. Sie fragte sich kurz, warum er ihr nur eine ausweichende Antwort gegeben hatte. Er hat Angst, entschied sie. So viel Angst, dass er davonläuft. Aber jegliche Neugier wurde in ihrem Kopf unverzüglich von Misstrauen und Argwohn niedergebrüllt.
    Sie beschied, dass Benedict sie an eine Disneyfigur aus ihrer Kindheit erinnerte: an Ichabod Crane, den Lehrer mit den dünnen Beinen, der nett wirkte, es aber nicht war. Leute, die nicht zu fassen sind, mag ich nicht, dachte sie. Ich will Charakter und Aufrichtigkeit und Substanz. Wie bei Frank. Aber vielleicht war Frank auch einzigartig.
    Eine leise Stimme, die wahrscheinlich das letzte überlebende Echo von Frank war, fragte, ob sie nicht ebenfalls gut in Ausweichmanövern war. Nein, entschied sie. Ich bin nie weggelaufen; ich habe nur beschlossen, nicht mehr zu bleiben. Ich habe mich niemals mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen und meine Absichten nie verheimlicht. Alle wussten immer genau Bescheid, wenn ich ging. Und wer nicht früh genug auf war, um sich zu verabschieden… tja, nicht meine Schuld.
    Aishes Blick wanderte zurück zum Kinderspielplatz. Die Frau war ungefähr in ihrem Alter, aber ihre Kinder waren jünger als Gulliver. Nach Aishes kritischer Einschätzung würden ihr ein paar Pfunde weniger guttun, aber sie war sehr hübsch mit ihrem strichgerade geschnittenen schwarzen Bob und den ebenso strichgerade zusammengezogenen Augenbrauen, die darauf hinwiesen, dass sie sich entweder konzentrierte oder an etwas dachte, das sie wütend machte. Sie stieß ein Kleinkind– dem Aussehen nach ein Mädchen– in einer dieser abgesicherten Kinderschaukeln an. Ich würde ein so kleines Kind nicht so fest anstoßen, dachte Aishe, aber dem Juchzen nach scheint die Kleine es ja zu genießen.
    Das zweite Kind der Frau war ein hübscher, blonder Junge von etwa drei, vier Jahren. Er saß auf dem Boden und schob einen gelben Plastiklaster durch Erde und Blätter. So vertieft war er in seine Aufgabe, dass er offenbar nicht bemerkte, wie seine Mutter sagte: » Alles klar, ihr zwei. Zeit, nach Hause zu gehen!«
    Sie schob ihre Hände unter die Achseln des Kindes, woraufhin dieses sich sofort versteifte und ein Protestgeschrei anstimmte. Aishe sah zu, wie die Frau das Mädchen so schwungvoll und entschieden aus der Schaukel zog wie einen Korken aus einer Weinflasche. Sie trug das kreischende Kind zum Kinderwagen, wo es sich wieder versteifte und weigerte, sich hinzusetzen. Eindeutig geübt im Umgang mit den Launen ihrer Tochter schlang die Frau geschickt die Gurte um das Kind, zog sie fest und zwang es so, in den Sitz zu rutschen. Sie ignorierte das Gebrüll und schob den Kinderwagen zu ihrem Sohn, der immer noch seinen gelben Laster im Kreis fuhr.
    » Komm jetzt, Harry«, sagte sie zu ihm und schob, ohne zu warten, den Kinderwagen den Weg hinunter, der vom Spielplatz führte. Aishe beobachtete, dass Harry sich nicht rührte, die rasch wachsende Entfernung zwischen ihm und seiner Mutter nicht einmal zu bemerken schien. Die Frau ging bis zum Ende des Spielplatzes, drehte sich dort um und rief: »

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