Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Benedict die Hände in die Höhe. » Ein ernstzunehmendes Gespräch eben! Keinen oberflächlichen Small Talk. Ein Gespräch unter Freunden eben.«
Daraufhin sagte Aishe klar und deutlich, als hätte sie ein Kind oder einen geistig Behinderten vor sich: » Aber wir sind keine Freunde.«
» Warum sitzt du dann hier, verdammt noch mal?«, fragte Benedict. » Wieso sprichst du dann überhaupt mit mir?« Er lehnte sich vor und richtete einen ausgestreckten Finger auf sie. » Ganz im Ernst, was hast du gegen mich? Manchmal ertappe ich dich dabei, dass du mich geradezu mordlustig anstarrst! Ich dachte, es läge nur daran, weil du mir verübelst, dass du Geld für mich ausgeben musst, aber das ist es gar nicht, oder? Es ist etwas Tiefergehendes. Und ich finde, du schuldest mir eine Erklärung.«
Aishe wurde bewusst, dass von allen Anwesenden im Café nur Xavier hinter der Theke so tat, als würde er nicht zuhören. Im Gegensatz dazu hatten Angel und Malcolm ihre Stühle so zurechtgeschoben, dass sie einen guten Blick auf sie hatten. Angel strahlte sie an und hob seine Kaffeetasse, als wollte er sagen: » Los, macht weiter.«
» Also?«, hakte Benedict nach.
» Si«, hörte Aishe Angel sagen. » Por que? Die Frage deines heißen jungen Liebhabers ist wohl berechtigt.«
» Warum zum Teufel kümmert es dich, ob wir Freunde sind?«, erwiderte Aishe.
» Das ist jetzt mindestens die dritte Variante deiner immer gleichen gottverdammten Frage an mich«, entgegnete Benedict. » Aber keine Antwort!«
» Nein, das ist eine Taktik, die ziemlich– wie sagt man auf Englisch«, sagte Angel, an Malcolm gewandt, » ausweichend ist?«
» Ein Ausweichmanöver«, erklärte Malcolm. » Sehr wirksam. Angriff ist immer die beste Verteidigung.«
» Herrgott noch mal«, sagte Aishe und verdrehte die Augen. » Hör mal, wenn du deinen ganzen persönlichen Scheiß vor mir auskippen willst, dann bitte– raus damit.«
» Das ist immer noch keine Antwort.«
» Wie Frostund Nixon in diesem Film«, sagte Angel zu Malcolm.
» Oder wie Tom Cruise und Jack Nicholson in Eine Frage der Ehre,« bemerkte Malcolm. » Ihr könnt die Wahrheit nicht ertragen!«, rief er laut.
» Was hast du gegen mich?«, wiederholte Benedict. » Du hast mir mal vorgeworfen, ein Vagabund zu sein. Ist es das?«
» Ist doch ein ziemlich guter Grund, findest du nicht?«
» Wir reden jetzt nicht darüber, was ich finde. Ich will in Herrgottsnamen wissen, was du findest!«
» Und dann?«, sagte Aishe.
Benedict lehnte sich zurück. » Unglaublich. Als würden wir in verschiedenen Sprachen sprechen.«
» Das passiert mir ständig, wenn ich mit mir selbst rede«, erklärte Angel. » Manchmal weiß ich nicht, wie sagt man gleich?«
» Wo hinten und vorne ist?«
» Nein, noch anders.«
» Müssen die sich unbedingt beteiligen?«, murmelte Benedict.
» Ob du Männlein oder Weiblein bist?«
» Si! Genau das weiß ich nicht.«
» Aber dir ist schon klar, dass Selbstgespräche das erste Anzeichen von Geistesgestörtheit sind?«, bemerkte Malcolm.
» Ist das wie mit den sieben Zeichen des Alterns?«, erkundigte sich Angel. » Ich hab schon einige. Die Falten, die vergrößerten Poren. Allerdings hab ich noch keine unregelmäßige Hautfarbe. Das führe ich aufs Olivenöl zurück.«
Malcolm sah ihn interessiert an. » Innerlich oder äußerlich angewandt?«
» Ist es wegen Gulliver?«, fragte Benedict leise. » Sind drei einer zuviel?«
Plötzlich kam sich Aishe entblößt vor, als hätte man sie ausgezogen und gezwungen, nackt durch eine Fußgängerzone zu gehen. Ihr letzter Rest Respekt vor Benedict war verflogen. Mit diesem einen Satz hatte er sich als der Feind enttarnt, den sie immer in ihm vermutet hatte.
Sie rüstete sich zum Gegenangriff, doch ihr Instinkt brachte sie dazu, sich zurückzuhalten. Momentan war wohl nichts gefährlicher, als ein offener Krieg mit dem Lehrer ihres Sohnes. Ihre Beziehung zu Gulliver hatte bereits Risse bekommen, die sie keinesfalls vergrößern wollte. Und sollte Gulliver irgendwann das Gefühl bekommen, sich für einen von ihnen entscheiden zu müssen, würde die Wahl sicherlich nicht auf seine Mutter fallen.
Nein, nein und nochmals nein. Sie konnte es sich nicht leisten, sich gegen Benedict zu stellen. Zwar war er ein Feind, aber er musste entwaffnet werden, nicht getötet. Doch wie um alles in der Welt sollte sie das anstellen?
Dann dachte sie: Sieh ihn dir doch an! Er ist nicht so selbstbewusst, wie er immer tut. Er ist
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