Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
willst. Hast du dich je auch nur eine Sekunde lang gefragt, was ich will?«
Die Frage traf Mo unerwartet, und die Erkenntnis, dass die Antwort ›nein‹ lautete, bescherte ihr ein derart schlechtes Gewissen, dass sie es sofort in Groll sublimierte.
» Du hast doch deinen tollen Job«, erwiderte sie schroff. » Du kommst nach Hause, wann es dir passt, und musst nur an deine Arbeit denken– denn alles andere wird dir abgenommen. Kriegst du nicht alles, was du willst?«
Chad starrte sie an. » Und du wunderst dich, dass ich nie mit dir rede?«, sagte er nur.
Dann schob er sich an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Mo spürte, wie ihr Inneres sich in einen emotionalen Flipper verwandelte, in dem die Kugel zwischen Wut und Groll hin und her flitzte, bevor sie in ein dunkles Loch aus Angst und Reue fiel, das Game Over bedeutete.
Ich hab’s vermasselt, gestand sie sich ein. Und das nicht nur heute Abend, ehrlich gesagt. Er hat recht– von Anfang an habe ich ihn schlecht behandelt und ihn nur mit Forderungen überhäuft. Als wir noch in Charlotte waren, hab ich ihn nie gefragt, warum er ausgerechnet diesen Job will. Ich hab ihn nie gefragt, was er ihm bedeutet. Wahrscheinlich hätte ich nicht mal zugehört, wenn er es mir gesagt hätte. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn dafür zu beschimpfen, dass er mein Leben ruiniert.
Jetzt hatte ich die Chance, ihm all die Fragen zu stellen, die ich ihm schon damals hätte stellen sollen. Aber ich hab’s vermasselt.
Und wie die Dinge liegen, weiß ich nicht, ob ich noch mal eine Chance bekomme.
» Das machst du nur, weil sie dir gefällt.«
Aishe riss ein Zuckertütchen auf und schüttete den Inhalt in ihren Espresso. Normalerweise nahm sie keinen Zucker, aber heute brauchte sie etwas zusätzliche Energie.
» Mir gefällt der Zusatzverdienst«, erwiderte Benedict. » Weißt du, wie viel sie mir zahlen will?«
» Nein.« Aishe rührte ihren Kaffee um und knallte dann ihren Löffel auf den Unterteller. » Und sag’s mir nicht, sonst kotze ich.«
» Was wär dir lieber?« Benedict hob seine Tasse. » Von feisten Helden der Landstraße angeglotzt zu werden, denen du Kaffee einschenken musst, oder dich wieder mit den Freuden vollgekackter Windeln und endloser Wiederholungen schwachsinniger Kinderlieder anzufreunden?«
» Diese Wahl habe ich nicht«, murrte Aishe. » Aber ich fasse es nicht, dass sie ausgerechnet dich gefragt hat. Was für Qualifikationen hast du denn, außer dass du verfügbar und mittellos bist?«
» Wenn du meinen Lebenslauf gelesen hättest«, erwiderte Benedict, » wäre dir aufgefallen, dass ich zwischen meiner Arbeit als Erntehelfer in Neuseeland und dem Intermezzo als Parkplatzwächter im Waikoloa Beach Hilton eine Zeitlang in der Kindertagesstätte von Kalgoorlie, der Perle Westaustraliens, gearbeitet habe.«
Aishe hob eine Augenbraue. » Hat man da nicht deine Referenzen geprüft?«
Benedict verzog den Mund. » Ich hatte schon eine Referenz, aber die galt für einen gewissen Martin Hopkins, den ich im Zug nach Perth kennengelernt hatte. Martin hat sich meine Geschichten angehört und war überzeugt, dass Erzabbau in sengender Sonne lukrativer sei als Knete für Kleinkinder zusammenzumanschen. Da ich keinerlei Joberfahrungen hatte, bot er mir großzügigerweise seine an.« Er trank einen Schluck von seinem Kaffee. » Glücklicherweise wollten die meinen Pass nicht sehen.«
» Das ist dermaßen unrecht«, sagte Aishe, » dass ich nicht mal weiß, wo ich anfangen soll.«
» Hast du dir etwa noch nie einen Job erschwindelt?«
» Doch, so ziemlich jeden«, räumte Aishe ein. » Nur die Kellnerjobs nicht. Dafür brauchte ich nur Titten.«
Benedict zögerte. » Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
» Nein.«
» Über deine finanzielle Situation«, fügte er hinzu. » Nicht über dein Liebesleben.«
» Trotzdem: nein.«
Benedict ignorierte es. » Wie um alles in der Welt kannst du nur vom Kellnern leben? Du arbeitest nur vier Vormittage in der Woche, was nach meiner Rechnung– und persönlicher Erfahrung mit dem Mindestlohn– höchstens für ein paar Tacos reicht, aber nicht mal ansatzweise für die Miete. Hast du irgendwann mal ’ne Bank ausgeraubt?«
» Ach, sieh mal«, meinte Aishe. » Da sind Angel und Malcolm. Setzen wir uns doch zu ihnen.«
» Verdammt! Wirst du jemals ein ernstzunehmendes Gespräch mit mir führen?«
Aishe sah ihn blinzelnd an. » Was genau verstehst du unter ›ernstzunehmend‹?«
Hilflos warf
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