Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
den neben ihr vorzog.
» Ich habe es satt, immer wegzulaufen«, sagte er. » Ich bin jetzt seit fast zehn Jahren auf der Flucht. Wenn ich nicht mehr fliehe, werde ich geschnappt. Nicht sofort, aber irgendwann. Das weiß ich. Aber ich habe es satt.«
Unwillkürlich wandte Aishe sich zu ihm. » Und was passiert, wenn sie dich schnappen?«
» Sie?« Benedict schüttelte den Kopf. » Es ist nur einer.«
» Wer? Dein Bruder? Onkel? Vater…?«
Benedict nickte.
» Dein Vater«, wiederholte Aishe. » Was wird er tun, wenn er dich schnappt?«
» Weißt du was?«, antwortete Benedict nach längerem Überlegen. » Nach all der langen Zeit bin ich mir nicht mehr sicher.«
12
Mo wusste, wenn sie mit Chad reden wollte, schnappte sie ihn sich am besten sofort nachdem Harry und Rosie ins Bett gebracht worden waren. Dann würde sie nichts stören, abgesehen von dem rachsüchtigen Geschrei aus Rosies Zimmer, das irgendwann nachlassen würde. Wichtig war, ihn vor dem Stupor zu erwischen, der ihn an seinen seltenen Abenden zu Hause überfiel. Dazu musste sie ihn abfangen, bevor er es zum Sofa schaffte. Denn wenn er sich erst einmal darauf niedergelassen hatte, konnte sie auch genauso gut mit dem Sofa reden.
Ihre Strategie an diesem Abend war ganz einfach: Sie blockierte die Tür zum Wohnzimmer. Als Chad mit einem Bier in der Hand aus der Küche kam, sah er sie und blieb stehen. Argwöhnisch wartete er darauf, dass sie etwas sagte.
» Ich hab’s getan«, erklärte sie. » Ich hab eine Kinderbetreuung besorgt.«
Und der einzige Grund, warum ich nicht noch saurer und verbitterter bin, weil ich alles allein organisieren musste, den verrate ich dir jetzt. Mein As im Ärmel…
» Er fängt Montag an.«
Chad blinzelte. » Wie bitte? Er ?«
» Genau. Sein Name ist Benedict.«
» Benedict?«, wiederholte Chad stirnrunzelnd. » Ist er etwa ein katholischer Priester?«
» Nein, nur ein typischer Engländer, der auf eine Privatschule gegangen ist.«
Chad sah sie finster an. » Und das ist besser als ein katholischer Priester?« Er verzog das Gesicht. » Mo, hältst du es wirklich für eine gute Idee, dass sich ein Mann um unsere Kinder kümmert? Ich meine– was weißt du über ihn?«
» Nicht besonders viel«, sagte Mo achselzuckend. » Er unterrichtet den Sohn einer Freundin.«
» Welcher Freundin?«
» Kennst du nicht.«
Chad schwieg einen Moment. » Machst du das extra? Um dich an mir zu rächen?«
» Hast du denn etwas in Sachen Kindermädchen unternommen?«
» Ich hab mich umgehört.«
» Mit anderen Worten: nein.«
» Mo«, sagte Chad müde. » Ich hab viel zu tun. Außerdem kenne ich mich mit Nannys nicht aus.«
» Du hast gesagt, du würdest dich darum kümmern.«
» Das hab ich nie gesagt!« Chad schwenkte die Bierflasche in der Luft. » Du hast gesagt, ich müsste mich darum kümmern.«
» Und wenn schon.« Mo verschränkte die Arme. » Du hast nicht widersprochen.«
» Meine Güte!« Chad atmete geräuschvoll aus. » Das hat man nun davon, wenn man eine Anwältin heiratet.«
Obwohl Mo in letzter Zeit eigentlich ständig wütend war, überraschte es sie doch, wie sehr seine Bemerkung sie in Rage brachte. Ich will ihn schlagen, dachte sie. Ich will ihn so sehr schlagen, dass meine Hand tatsächlich schon zuckt.
Aber warum?, fragte sie sich. Weil er das so beiläufig gesagt hat? So respektlos– so geringschätzig? Oder ist es die Erkenntnis, dass ich früher vielleicht Anwältin war, aber jetzt nicht mehr bin? Und es wahrscheinlich auch nie mehr sein werde? Denn jetzt will ich nur noch Mutter sein. Und Ehefrau…
» Willst du noch mit mir verheiratet sein?«
Als Chad daraufhin die Augen verdrehte, schoss wieder die Wut in ihr hoch.
» Sei nicht albern, Mo.« Er wies zur Tür. » Komm schon. Geh zur Seite. Ich bin erledigt.«
» Nein!« Mo machte sich noch breiter. » Nein, verdammt noch mal! Ich habe dir eine berechtigte Frage gestellt. Du bist kaum noch da, und wenn, merkt man nichts davon. Du redest nicht mehr mit mir! Du zeigst keinerlei Zuneigung! Du scheinst mich nicht mal mehr zu mögen! Ich hab das Gefühl, wir wären nicht nur in eine andere Stadt gezogen, sondern ich wäre in einen Gulag für böse Ehefrauen verbannt worden! Du erzählst mir, es läge an der Arbeit. Soll das heißen, dass die Arbeit jetzt das Wichtigste in deinem Leben ist? Ist das das Leben, mit dem ich von nun an rechnen muss?«
» Mo…« Mit der freien Hand rieb Chad sich die Augen. » Ständig erklärst du mir, was du
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