Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
liebsten geschlagen. » Was heißt das? Brauchst du jetzt was anderes? Einen neuen Test?«
» Ich brauche…« Chad zögerte und suchte nach Worten. » Ich brauche Freiraum, um herauszufinden, wie ich ganz allein wäre. Ich war noch nie allein, Mo. Ich war noch nie auf mich selbst gestellt.«
Mo entriss ihm ihre Hand, als hätte sie sich verbrannt.
» O mein Gott«, flüsterte sie. » Du willst mich verlassen.«
» Nein!« Chads Protest klang übertrieben laut. » Absolut nicht! Ich liebe dich! Ich liebe die Kinder! Ich bin unheimlich gern mit dir verheiratet.«
» Aber?«
» Ich brauche ein bisschen Zeit«, sagte er. » Für mich.«
Langsam und ungläubig schüttelte Mo den Kopf. » So ein ausgemachter Schwachsinn!«, sagte sie. » Willst du mir tatsächlich erzählen, du müsstest dich selbst finden?« Sie erhob die Stimme. » Du kommst mir im Ernst mit diesem albernen New-Age-Klischee? Und was dann? Willst du in eine Männergruppe gehen? Nackt in einer Schwitzhütte abhängen und lernen, wie Männer sich umarmen?«
Chad schob seinen Stuhl zurück und stand auf. » Ich wusste, dass ich nicht mit dir reden kann.«
» Untersteh dich!«, zischte Mo. » Wag ja nicht, jetzt einfach abzuhauen! Das ist dein Scheiß, den du mir da vor die Füße geknallt hast, und wenn’s dir nicht passt, dass ich sauer werde, ist das dein Pech! Wenn du so verdammt unbedingt stark sein willst, dann bleibst du jetzt hier und setzt dich damit auseinander!«
Chad war schon auf dem Weg zur Tür, blieb bei diesen Worten aber plötzlich stehen. Er schob die Hände in die Taschen und verharrte so einen Moment lang, ihr den Rücken zugewandt und auf den Füßen wippend. Mo hörte ihn » Scheiße« murmeln. Dann drehte er sich um.
» Du hast recht«, sagte er. » Tut mir leid.«
» Leid?« Mo lachte kurz und bissig. » Das ist ja wohl ein bisschen dürftig! Ich meine, was zum Teufel soll ich Harry sagen? Und was sag ich deiner Mutter, die mich jeden verdammten Tag fünfzig Millionen Mal anruft?«
Chad runzelte die Stirn. » Tut sie das? Wieso?«
» Weil du sie nie zurückrufst! Wieso auch? Du bist ja bloß ihr Sohn!«
» Was will sie denn?«
» Chad. Im Ernst, frag das nicht mich. Wenn du wirklich wissen willst, wieso deine verdammte Mutter anruft, melde dich endlich selbst bei ihr!«
Einen Augenblick herrschte Schweigen. » Hast du mit meinem Vater gesprochen?«
» Chad!«
Chad zog die Hände aus den Hosentaschen und hob sie kapitulierend in die Höhe. » Schon gut, schon gut!«
Es folgte ein quälend langes Schweigen, in dem sie sich nur anstarrten. » Ich werde mit Harry reden«, sagte Chad. » Und ich rufe meine Eltern an.«
» Was ist mit deiner Stelle? Du hast doch gerade erst angefangen. Ist das okay, wenn du schon wieder aufhörst?«
Chad wich ihrem Blick aus. » Die Stelle behalte ich. Das ist zwar nicht ideal, aber ich– bin Verpflichtungen eingegangen.« Mit einem kurzen, ironischen Lächeln fügte er hinzu: » Das Busfahren wird mir fehlen. Dabei konnte ich gut nachdenken.«
Mo hatte die ganze Zeit schon mit den Tränen gekämpft, aber jetzt rannen sie ihr langsam die Wangen hinunter. Wütend und verzweifelt ließ sie es zu.
» Wann gehst du?« Plötzlich fühlten sich ihre Lippen taub und geschwollen an, sodass sie die Worte kaum aussprechen konnte.
Chad schob wieder die Hände in die Taschen. » Ehrlich gesagt hatte ich gar nicht vor, sofort zu gehen«, sagte er. » Ich wollte noch darüber nachdenken und den rechten Zeitpunkt abpassen.«
» Tja, der Plan ist geplatzt«, erwiderte Mo. » Was hältst du also für den frühesten rechten Zeitpunkt, um deine Familie zu verlassen?«
» Mo…«
» Ach, komm schon!« Die Tränen hinterließen kalte, klebrige Spuren auf ihrer Haut. Wütend wischte sie sie weg. » Das kannst du jetzt nicht aufschieben.«
» Wie wäre es dann mit Montag? Nach dem Wochenende?«
» Also muss ich noch drei Tage so tun, als wäre alles in Butter? Einfach lächeln und weitermachen? Erwartest du das von mir?«
Chad atmete geräuschvoll aus. » Mo, besteht die Möglichkeit, das Ganze nicht als totale Katastrophe zu betrachten? Ich liebe dich und habe nicht die Absicht, dich zu verlassen. Das ist, bei Gott, die Wahrheit!«
» Ich soll also einem Mann glauben, der sich selbst nicht vertraut?«
» Ich muss das tun«, sagte er. » Sonst werde ich wahnsinnig.«
Dabei sah er sie so flehend an, dass das Elend und der Groll, die wie Züge durch Mos Kopf ratterten, einen Moment lang
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