Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
sollte ich erst mal klein anfangen?«, sagte sie und goss großzügig Soße über ihren Salat.
» Gute Idee.« Mo nahm ihren Teller und hielt ihn ihr hin. » Pommes frites?«
17
» Erzähl mir von deinem Vater.«
Aishe und Benedict waren im Bett, bei ihr. Normalerweise kam Benedict wegen Gulliver am Sonntag nie. Da Gullivers Band in sechs Wochen jedoch einen Auftritt hatte, wurde jetzt auch sonntagnachmittags immer geprobt. Das wusste Aishe zwar schon länger, hatte es Benedict gegenüber jedoch nicht erwähnt. Trotzdem war sie nicht überrascht, als er plötzlich vor der Tür stand. Gulliver und Benedict redeten eine Menge miteinander, in einem lockeren, kameradschaftlichen Ton, der sie entnervte. Zuerst hatte sie Panik gehabt, Gulliver könnte Persönliches über sie ausplaudern, bis sie sich klar machte, dass er praktisch nichts von ihr wusste. Dann kam ihr jedoch in den Sinn, dass dieser aufgeblasene Idiot wohl kaum so zurückhaltend war, was hieß, dass ihr Sohn vermutlich mehr über den Mann wusste, mit dem sie schlief, als sie. Zähneknirschend beschloss Aishe, dass sie sich, um einigermaßen glaubwürdig Intimität vorzutäuschen, mehr Mühe geben musste. Sie hatte so eine Ahnung, dass Menschen ihr Interesse aneinander durch Fragen zeigten. Also hatte sie eine gestellt.
» Meinem Vater ?«
Benedict klang, als hätte er sich verhört. Kann man ihm nicht verdenken, dachte Aishe. Bis jetzt hatte es keinerlei Small Talk zwischen ihnen gegeben. Normalerweise sprach nur sie und dann ausschließlich Wörter wie: » Da!«, » Schneller!« und » Jetzt!«
Sie hatte nie die Geduld gehabt, ihre Liebhaber selbst herausfinden zu lassen, was sie mochte. » Von Anfang an die Kontrolle übernehmen« war immer ihr Motto gewesen. Schließlich wollte sie nicht darunter leiden, wenn die Männer nichts zustande brachten. Allerdings musste sie einräumen, dass ihre Befehle bei Benedict im Grunde überflüssig waren. Er hatte die Kontrolle, und zwar voll und ganz. Bisher hatte es nur einen einzigen Mann gegeben, der das Gleichgewicht der Kräfte so völlig umgeworfen hatte, und zwar…
» Ich erzähl dir von meinem Vater, wenn du mir von Frank erzählst.«
Aishe fuhr hoch. » Auf keinen Fall!«
Benedict lachte. » Als würde man ein Streichholz an eine Zündschnur halten! Jedesmal: Bumm!«
Er streckte seinen Finger aus und strich müßig über die Unterseite ihrer Brust, was bei Aishe im gleichen Maße Verlangen wie Wut hervorrief.
» Ist er ein solches Tabu, weil du ihn mochtest?«, fuhr Benedict fort. » Dann kann ich dir versichern, dass dies für meinen Vater nicht gilt.«
Verdammt! Langsam ging der Kampf über Aishes Kräfte. Viele Jahre lang hatte sie sich auf ihre Doppelstrategie verlassen: erbitterte Frontalattacken und eine undurchdringliche, schmiedeeiserne Rüstung. Sollte der Angriff etwaige Eindringlinge nicht abschrecken, prallten sie eben an der Rüstung ab. Nur Gulliver hatte diese Rüstung in tausend Stücke zerspringen lassen, und zwar von der Sekunde an, in der er ihr blutverschmiert und brüllend in die Arme gelegt worden war.
Und Frank. Franks Geheimnis hatte anfangs darin bestanden, vollkommen unbedrohlich zu wirken. Als Aishe irgendwann erkannte, wie weit er schon zu ihr vorgedrungen war, hatte sie ihm alles an den Kopf geworfen, was ihr zur Verfügung stand. Er hatte alles weggesteckt und neutralisiert wie ein Blitzableiter, wie Zeus, der einen Blitzstrahl fängt. Und dann war er immer näher gekommen.
Aishe verabscheute die Vorstellung, Benedict näher an sich heranzulassen. Doch wenn sie ihm keinen Zentimeter nachgab, würde er sich von ihr abwenden. Und wenn er ging, ging vielleicht auch Gulliver, zumindest innerlich. Dieses Risiko war einfach zu groß.
Trotzdem versuchte sie, einen Aufschub zu erwirken.
» Du zuerst«, sagte sie.
Benedict hob eine Augebraue, da er einen Trick witterte. Doch dann sagte er: » Also gut.«
Er stützte sich mit den Händen auf der Matratze ab und stemmte sich hoch. Als er neben ihr saß, atmete er geräuschvoll aus. » Okay. Wo soll ich anfangen?«
» Ist er ein Psychopath?«, fragte Aishe entgegenkommend. » Oder nur ein Wichser?«
Benedict lachte. » Er ist, was er ist«, antwortete er. » Aber so wie er will ich nie sein.« Als er sah, dass Aishe seine Antwort in jeder Hinsicht ungenügend fand, fuhr er fort: » Mein Vater ist ein Verbrecher.«
Aishe schnaubte skeptisch. » Was hat er gemacht? Die Gelder des Country Clubs veruntreut?«
» Das nicht
Weitere Kostenlose Bücher