Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
gerade«, erwiderte Benedict. » Zuerst hat er den Postzug aus Aberdeen ausgeraubt und ist dann ins Geschäft mit Drogen, Waffen und Erpressung eingestiegen.«
» Quatsch!«
» Wenn du willst, kannst du ihn googeln. Sein Name ist Reginald Hardy. Er wurde in Liverpool als Sohn eines Dockarbeiters und seiner Frau geboren. Ich hab meine Großeltern nie kennengelernt, weil sie vor meiner Geburt starben. Als mein Vater zehn war, zog die Familie nach Glasgow, um Arbeit in der Clyde-Werft zu suchen. Er wurde ziemlich schnell ein Kleinkrimineller, flog mit vierzehn von der Schule und raubte mit siebzehn den Zug aus. Ganz allein.«
» Quatsch«, wiederholte Aishe, klang aber nicht mehr so überzeugt.
Benedict warf ihr ein schiefes Lächeln zu. » Google ihn.«
» Allerdings«, sagte Aishe und glitt aus dem Bett. » Das werde ich.«
» Ich warte hier«, erklärte Benedict. » Ich kenn das alles schon.«
Eine Viertelstunde später kam Aishe wieder zu ihm ins Bett.
» Da ist ein Foto von euch beiden«, sagte sie. » Bei einer Preisverleihung in deiner Schule.«
» Ich weiß.«
» Wieso war er nicht länger im Gefängnis? Ein Jahr wegen Steuerhinterziehung wirkt wohl kaum sonderlich abschreckend.«
» Weil er gerissen ist und schlecht. Alles, was im Internet zu lesen ist, stimmt zwar, konnte aber nie bewiesen werden. Aus Mangel an Beweisen– und Zeugen. Er war grandios darin, beides zu beseitigen. Und als ich geboren wurde, hatte er schon so viel Geld gewaschen, dass er nicht mehr ständig im Untergrund leben musste.«
» Wie hat er das gemacht?«, fragte Aishe.
» Über ganz legale, profitable Investitionen«, erwiderte Benedict. » Man steckt ein bisschen schmutziges Geld hinein, aber der Gewinn ist vollkommen sauber. Und diese Gewinne werden wieder investiert.«
» Was waren das für Investitionen?«
» Hauptsächlich Immobilien.«
» Oh.« Aishe schwieg einen Augenblick. » Einer meiner Cousins ist Immobilienmakler.«
» Ist er auch ein gerissener, schlechter Krimineller?«
» Nicht dass ich wüsste. Aber wir haben den Kontakt verloren…«
Sie wandte sich zu Benedict und sah ihn prüfend an. » Du ähnelst deinem Vater. Hast allerdings nur ein Drittel seines Umfangs.«
» Ich weiß. Einer von Gottes besseren Witzen.«
Aishe schwieg erneut einen Moment. Dann runzelte sie die Stirn. » Warum sucht er dich? Du bist doch keine fünfzehn mehr, sondern neunundzwanzig.«
Das schiefe Lächeln erschien wieder auf seinem Gesicht. » Weil er lieber sterben würde, als zu verlieren.«
» Das musst du mir erklären.«
Offenbar war Aishe der Wind aus den Segeln genommen. Benedict wagte einen Vorstoß:
» Versprichst du, mir von Frank zu erzählen?«
Aishe nickte kurz. Benedict lehnte sich wieder ans Kopfende des Bettes und überlegte, wo er am besten anfing.
» Mein Vater hat in seinem ganzen Leben noch nie verloren. Natürlich haben ihn im Laufe der Jahre etliche Leute herausgefordert. Aber keiner von ihnen blieb lange am Leben.«
» Das weißt du ganz sicher?«
» Ein kleiner Junge kann fast überall unbemerkt hinschlüpfen«, sagte er. » Und selbst wenn ich bemerkt wurde, war ich immer noch sein Sohn.«
» Sein Erbe«, murmelte Aishe.
Benedict sah sie direkt an. » Genau.«
» Aber du wolltest nicht in Daddys Fußstapfen treten.«
» Wenn ich ein anderer Mensch gewesen wäre, dann vielleicht. Aber ich mochte Musik und Bücher und ging gern zur Schule. Ich liebte sie und war ein ausgezeichneter Schüler. Wahrscheinlich hat mich das gerettet.«
» Wie meinst du das?«
» In der Schule war ich ein Gewinner. Und mein Vater dadurch auch. Durch mich errang er Siege in Bereichen, auf die er sonst nie hätte hoffen können– im akademischen und vor allem im gesellschaftlichen Bereich. Mit zehn schickte er mich aufs Internat, und schon bald freundete ich mich mit den Söhnen von Aristokraten an und sprach wie sie.«
Aishe schnaubte. » Ich wette, dass sie deinen Vater trotzdem noch für einen Proleten hielten.«
» Natürlich«, sagte Benedict. » Aber er hatte Geld und gab es gern aus. Wir hatten ein riesiges Haus mit allem möglichen Spielkram und Annehmlichkeiten. Wie du weißt, sind die meisten englischen Aristokraten vollkommen abgebrannt, also haben sie die Gastfreundschaft meines Vaters liebend gern in Anspruch genommen. Außerdem musst du wissen, dass mein Vater eine sehr charismatische Persönlichkeit ist. Ich glaube, nach einer Weile haben die meisten unserer Gäste schlicht vergessen, dass sie
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