Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
Ernst?«
» Siehst du, selbst du findest, das ist Schwachsinn!«
Einige der anderen Mütter starrten in ihre Richtung. Mo winkte ihnen lächelnd zu.
» Das ist doch Schwachsinn oder etwa nicht?«, zischte sie Benedict zu.
» Tja…«
» Wolltest du dich jemals selbst finden?«
Benedict lachte. » Ich hab die letzten zehn Jahre eher das Gegenteil versucht.«
Mo starrte ihn durchdringend an. » Bist du etwa auf der Flucht?«
» Nicht vor dem Gesetz«, versicherte er ihr.
» Wovor dann?«
Benedict sah sie flehend an. » Muss ich das sagen?«
Mo hielt seinem Blick stand, bis er geschlagen die Schultern sinken ließ. Dann tätschelte sie ihm das Knie.
» Sieh es mal positiv«, sagte sie. » Das lenkt dich von deinen vergeblichen Bemühungen ab, an Aishe ranzukommen.«
» Du denkst also, es ist vergeblich?«
Benedict saß vor dem Hochstuhl, den das Café ihnen gebracht hatte, und löffelte Joghurt in Rosies Mund. Mo bemerkte, dass er sich große Mühe gab, beiläufig zu klingen, obwohl selbst Helen Keller bemerkt hätte, dass er die ganze letzte Stunde an dieser Frage gefeilt hatte.
Mo hatte die Idee gehabt, nicht zu Hause, sondern im Café zu Mittag zu essen. In der einen Minute war sie noch ins Gespräch mit Benedict vertieft gewesen, in der nächsten jedoch hatte er » Mist« gemurmelt, war aufgesprungen und zu Harry geeilt, um ihm die rote Lok zu präsentieren. Doch zu spät: Der Zügedieb triumphierte bereits, und Harry war in Tränen aufgelöst. Benedict hatte Harry hochgenommen und dem anderen Jungen einen Blick zugeworfen, der ihm zu verstehen gab, dass er einen mächtigen Fußtritt von ihm zu erwarten gehabt hätte, wären seine Eltern nicht anwesend gewesen. Der Junge jedoch streckte ihm unbeeindruckt die Zunge raus und rannte gackernd zu seiner Mutter, die so mit ihrem iPhone beschäftigt war, dass sie von alldem nichts mitbekommen hatte.
» Wahrscheinlich bietet sie gerade auf eBay«, hatte Mo bemerkt und ihm Harry abgenommen. » Nicht auszudenken, was wäre, wenn man nicht genügend Taschen von Anya Hindmarch hätte!«
Sie hatte einen Kuss auf Harrys tränenfeuchte Wange gedrückt. » Wie können wir dich denn wieder aufmuntern, Kumpel? Ich glaube, das schreit nach Waffeln.«
» Waffeln!«, hatte Harry strahlend ausgerufen und in die Hände geklatscht.
Mo hatte Benedict einen Blick zugeworfen. » Genau wie sein Vater«, hatte sie gesagt. » Selbst wenn vor ihren Augen die Hindenburg explodierte, kämen sie immer noch angerannt, wenn jemand ›Kuchen‹ ruft.«
Jetzt beobachtete sie, dass Harry sogar seine Waffeln genauso aß wie Chad. Ruhig und konzentriert– ein Klecks Butter, ein Tropfen Sirup, Biss für Biss. Für Rosie hingegen konnte es beim Essen nie schnell genug gehen. Sogar wenn Benedict sie fütterte, den sie vergötterte, grunzte sie zwischen zwei Happen vor Ungeduld.
Das zeigt schon, wie sie das Leben angeht, dachte Mo. Sie wird es sich einverleiben, mit Haut und Haaren verschlingen und immer noch mehr wollen. So war ich früher wahrscheinlich auch– ich wollte, nein, ich verlangte immer mehr. Jetzt würde ich mich mit dem begnügen, was ich habe. Das wäre mehr als genug…
» Mo, glaubst du, meine Hoffnungen sind vergeblich?«, fragte Benedict noch einmal.
Er will auch mehr, dachte Mo. Aber ich vermute, er hat Pech gehabt, wenn er es von Aishe erhofft. Andererseits: Soll ich die Träume eines jungen Mannes zertrampeln?
» Vergeblich vielleicht nicht«, antwortete sie. » Aber wann hat sich Aishe zuletzt auf eine richtige Beziehung eingelassen? Seit ihrer Ehe nicht mehr, oder? Und das ist… elf Jahre her, stimmt’s?«
Sie sah, wie er buchstäblich in sich zusammensackte. Benedict senkte den Joghurtlöffel, was lautes und schrilles Protestgeschrei von Rosie zur Folge hatte. Hastig setzte er das Füttern fort.
» Hast du irgendeine Erklärung dafür?«, fragte er Mo.
» Dazu kenne ich sie nicht gut genug«, antwortete sie achselzuckend. » Aber von ihrem Bruder hab ich gehört, dass sie ihre Unabhängigkeit immer mit Zähnen und Klauen verteidigt hat.«
Benedict sah sie überrascht an. » Ich hatte ganz vergessen, dass du ihren Bruder kennst. Oder besser gesagt: Du kennst die Freundin seines Bruder, richtig?«
» Ich kenne beide.« Mos Schultern sackten nach unten. » Obwohl die Freundin– also meine Freundin– im Moment nicht mehr mit mir spricht.«
» Ach.«
» Es ist kompliziert.« Mo nickte warnend in Rosies Richtung. » Pass auf. Der Geysir spuckt gleich
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