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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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erfuhr von seinen Absichten, und der junge Gîselher brachte ihn von der Reise ab. »Warum wollt Ihr nun reiten, Sîfrit? Ich bitte Euch, bleibt bei uns, bei König Gunther und seinen Männern. Man wird Euch gern in die Gesellschaft der Frauen bringen.« Da sagte Sîfrit: »Führt die Pferde zurück und bringt auch die Schilde weg. Ich habe es aufgegeben, in meine Heimat zu gehen, dazu hat mich Gîselher mit großer Freundlichkeit bewogen.« So blieb er um seiner Freunde willen da. Auch hätte er sich in keinem anderen Land so wohl gefühlt. Das war, weil er Kriemhilt nun täglich sah, und ihre außerordentliche Schönheit hielt ihn fest. Sie vertrieben sich die Zeit mit allerhand Zerstreuungen, nur seine Liebe zu ihr quälte ihn. Dieser Liebe wegen sollte er elend sterben.

6 . WIE GUNTHER ZU PRÜNHILT NACH ISLAND REISTE
    Es drangen ganz neue Gerüchte über den Rhein. Man erzählte, es gebe da manche schöne Jungfrau. Um eine von ihnen wollte Gunther werben, und freudige Erwartung ergriff den König.
    Jenseits des Meeres lebte eine Königin, mit der man keinevergleichen konnte. Sie war sehr schön und von ungeheurer Stärke. Sie kämpfte mit den Rittern im Speerwurf und um den Preis ihrer Liebe. Sie warf den Stein fernhin und sprang weit hinterher. Wer sich um ihre Liebe bewarb, mußte drei Wettkämpfe mit ihr fehlerlos bestehen; verlor er einen, so war sein Leben verwirkt. Unzählige solcher Kampfspiele hatte sie schon gewonnen. Ein stolzer Ritter am Rhein hörte von ihr und richtete seine Liebe auf sie; deswegen mußten später viele Ritter sterben.
    Der König von Burgund sprach: »Ich will an die See und zu Prünhilt, wie immer es mir auch ergehen wird. Um ihre Liebe will ich mein Leben aufs Spiel setzen, und wenn sie nicht meine Frau wird, soll es mir nichts wert sein.« – »Ich rate Euch ab«, sagte Sîfrit. »Die Königin hat ein so grausames Wesen, daß es den teuer zu stehen kommt, der um ihre Liebe kämpft. Das ist, in allem Ernst, mein Rat zu Eurer Reise.« – »Wenn es so steht«, sagte Hagen, »rate ich Euch, Sîfrit zu bitten, daß er die schweren Prüfungen mit Euch besteht. Denn er weiß ja, wie es sich mit Prünhilt verhält.« – »Willst du mir helfen«, fragte Gunther, »um sie zu werben? Bist du mir zu Gefallen und wird sie meine Geliebte, so will ich um deinetwillen Ehre und Leben einsetzen.« Sîfrit antwortete ihm: »Gibst du mir deine Schwester, will ich es tun. Außer der schönen Kriemhilt will ich für meine Mühe keinen Lohn mehr.« – »Das verspreche ich dir in die Hand«, sagte Gunther. »Und wenn Prünhilt in unser Land kommt, so will ich dir meine Schwester zur Frau geben, und du sollst mit ihr in Freuden leben.« Das bekräftigten sie durch Eide. Sie hatten aber noch viele Mühe, ehe sie Prünhilt an den Rhein gebracht hatten, und später bereitete es ihnen schwere Sorgen. Sîfrit mußte die Tarnkappe mitnehmen, die er einem Zwerg namens Alberich mühsam abgewonnen hatte. Die Ritter bereiteten sich eifrig auf dieFahrt vor. Wenn Sîfrit die Tarnkappe trug, so besaß er die Stärke von zwölf Männern. Sie war so beschaffen, daß ein jeder darunter tun konnte, was ihm beliebte, ohne daß er gesehen wurde. So besiegte er Prünhilt mit großer Zauberkunst; und das sollte ihm Kummer bereiten. »Sîfrit, bevor wir abreisen, sag doch, ob wir nicht mit Gefolge an die See ziehen, damit wir ehrenhaft auftreten in Prünhilts Land? In kurzer Zeit kann ich dreißigtausend Männer aufbieten.« – »Soviel Krieger wir auch mitnehmen«, antwortete Sîfrit, »sie müßten doch alle sterben an dem grausamen Übermut der Königin. Ich schlage Euch etwas Besseres vor. Wir sollten als fahrende Ritter rheinabwärts ziehen, zu viert, so können wir die Frau überwinden, wie es auch für uns ausgehen mag. Einer bin ich, du sollst der andere sein, der dritte Hagen – dann werden wir wohl mit dem Leben davonkommen –, und der vierte Dancwart. Tausend andere werden den Kampf nicht mit uns wagen dürfen.« – »Und eins wüßte ich gern, ehe wir aufbrechen: Was für Gewand sollen wir tragen vor Prünhilt?« fragte Gunther. – »Das allerbeste, das sich finden läßt. So geht man immer in Prünhilts Land gekleidet, und man soll uns nichts Übles nachsagen.« Da sprach Gunther: »Dann will ich selbst zu meiner Mutter gehen und sie bitten, uns mit Kleidern auszustatten, in denen wir ansehnlich vor Prünhilt auftreten können.« Aber Hagen wandte ein: »Was wollt Ihr Eure Mutter um solche Dienste

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