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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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bitten? Sagt Eurer Schwester, was Ihr beabsichtigt. Sie wird Euch noch besser zu dieser Reise helfen können.« Gunther ließ seiner Schwester sagen, er und Sîfrit wollten sie aufsuchen. Kriemhilt kleidete sich für diesen Besuch mit aller Sorgfalt an; daß die beiden Ritter kommen würden, war ihr kaum unlieb. Auch ihr Gefolge war angemessen gekleidet. Als sie die Fürsten kommen hörte, erhob sie sich von ihrem Sitz und ging dem Gastund ihrem Bruder höflich zum Empfang entgegen. »Mein Bruder und sein Freund seien willkommen. Ich bin gespannt zu hören, was Ihr wünscht, daß Ihr zu Hofe geht. Sagt mir, womit Euch zu dienen ist.« König Gunther sagte: »Ihr sollt es erfahren, Schwester. Bei allem guten Mut haben wir Sorgen. Wir wollen zu höfischen Abenteuern in fremde Länder und brauchen ansehnliche Kleidung für diese Reise.« – »Setzt Euch, lieber Bruder«, antwortete Kriemhilt, »und erzählt mir, um wen Ihr werben wollt in fremden Königreichen.« Sie führte beide an der Hand zu dem Ruhebett, auf dem sie vor ihrem Eintreten gesessen hatte. Die Kissen waren aus bildbesticktem Stoff und mit Gold verziert, wie ich sicher annehme. Bei den Frauen sollte es ihnen wohl gefallen. Hier konnten sie freundliche Blicke tauschen. Sîfrit trug Kriemhilt in seinem Herzen, sie war ihm so lieb wie das eigene Leben. Der König sagte: »Liebe Schwester, ohne deine Hilfe werden wir unser Vorhaben nicht ausführen können. Für die Abenteuer in Prünhilts Reich müßten wir kostbares Gewand haben, das den Frauen gefällt.« Das Mädchen antwortete ihm: »Lieber Bruder, was an meiner Hilfe liegen kann, will ich Euch bereitwillig zukommen lassen, und es sollte mir leid tun, wenn jemand Euch etwas abschlägt. Ihr braucht mich nicht zaghaft zu bitten, Ihr habt nur zu befehlen. Ich bin zu allem bereit und willig. Hört, was ich Euch sage: Ich selber habe die Seide, nun laßt uns Edelsteine auf den Schilden bringen, und wir wollen die Kleider anfertigen. Wer sind die Ritter, die mit Euch gekleidet werden sollen?« Gunther nannte ihr seine Gefährten, und fügte hinzu: »Ich wünsche, daß wir vier an vier Tagen je drei verschiedene Kleider tragen können. Wir wollen Prünhilts Reich verlassen, ohne uns etwas vergeben zu haben.« Sie verabschiedeten sich freundlich von ihr und gingen. Kriemhilt wählte von ihren Hoffräulein dreißig aus, die fürsolche Arbeit begabt waren. Sie legten die Edelsteine ein in die schneeweiße Seide aus Arabien und in die grüne aus Zazamank, und die Kleider wurden wunderschön. Das kostbare Unterfutter aus fremdländischer Fischhaut, die die Leute erstaunt betrachteten, wurde mit Seide überzogen. Von der allerbesten Seide aus dem Lande Marokko und Libyen hatten sie reiche Vorräte. Es war zu sehen, daß Kriemhilt sich große Mühe mit den Kleidern gab. Für das hochgesteckte Ziel der Fahrt schien ihr Hermelinpelzwerk nicht gut genug, sie ließ noch wertvollen kohlschwarzen Samt darüber legen; das würde noch heute den Rittern festlich anstehen. Die Edelsteine leuchteten aus dem arabischen Gold. Die Frauen hatten viel zu tun: Sieben Wochen lang arbeiteten sie an den Kleidern, bis dahin waren auch die Waffen vorbereitet, und für den Rhein war das unermüdlich gebaute seetüchtige Schiff fertig, das die Ritter flußabwärts tragen sollte zum Meer. Die Hoffräulein kamen gar nicht zur Ruhe vor Arbeit. Endlich konnte man den Fahrenden sagen, ihre Kleider, die sie wünschten, seien nun fertig, und sie sollten prüfen, ob sie irgend zu kurz oder zu lang wären. Aber sie paßten genau, und die Ritter bedankten sich. Alle, die sie bei Hofe sahen, mußten zugeben, daß sie nichts Schöneres gesehen hatten. Und so wurde mit Dank nicht gespart.
    Als sie mit ritterlichem Anstand um Urlaub baten, wurden helle Augen trüb und naß von Tränen. Kriemhilt sagte: »Lieber Bruder, noch ist es Zeit, hierzubleiben. Mir wäre lieber, Ihr bemühtet Euch um andere Frauen, um derentwillen Ihr nicht so bedroht seid. Eine ebenbürtige Frau könntet Ihr näher finden.« Ich glaube, sie wußte in ihrem Herzen, was hieraus werden sollte. Sie weinten alle bei jedem Wort; der goldene Brustschmuck trübte sich unter den Tränen, die aus ihren Augen strömten. Kriemhilt sagte: »HerrSîfrit, mein Bruder sei Eurer Freundschaft und Wohlgesinntheit befohlen, damit ihm nichts zustößt in Prünhilts Reich.« Sîfrit versprach es ihr in die Hand. Er sagte: »Wenn ich am Leben bleibe, so braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Seid

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