Das Niebelungenlied
Harnisch von rotem Gold und einen starken Schild herbeiholenfür den Kampf. Sie legte unter dem Harnisch ein weiches Hemd aus lybischem Samt an; es war mit leuchtenden gewirkten Borten besetzt und noch nie getragen. Inzwischen setzten die Isländer den Burgunden im Übermut mit Drohungen zu. Hagen und Dancwart waren bedrückt. Sie sorgten sich, wie der Kampf für den König ausgehen werde, und dachten: ›Diese Fahrt wird uns zum Bösen ausschlagen.‹
In dieser Zeit war Sîfrit, ohne daß jemand ihn bemerkte, zum Schiff zurückgegangen, wo er seine Tarnkappe verborgen hatte. Er schlüpfte hinein, und nun konnte niemand ihn sehen. Er eilte zurück. Schon waren viele Ritter anwesend am Kampfort, und er ging zwischen ihnen hindurch, ohne daß sie es wußten. Der Platz war abgesteckt, auf dem der Wettstreit ausgetragen werden sollte. Siebenhundert bewaffnete Krieger standen dabei, um den Ausgang des Kampfes zu beobachten. Nun kam Prünhilt. Sie war bewaffnet, als wolle sie um alle Königreiche kämpfen. Sie trug Goldspangen über der Seide, darunter leuchtete ihre blühende Farbe. Ihr Gefolge trug ihr den Schild nach, mit dem sie sich decken wollte. Er war gewaltig groß, aus rotem Gold und mit stahlharten Spangen besetzt; der Tragriemen war ein goldseidenes Band, das mit grasgrünen Edelsteinen besetzt war, die versuchten, den Goldglanz noch zu überstrahlen. Der mußte wirklich ein hervorragender Mann sein, den sie lieben sollte. In der Mitte unter dem Buckel war der Schild drei Spannen dick; vier Kämmerer konnten ihn kaum tragen. Als der starke Hagen den Schild sah, sagte er unmutig: »Wo sind wir hingeraten, König Gunther? Wir werden ums Leben kommen. Die, um deren Liebe Ihr kämpft, ist des Teufels Weib.« Sie trug ein kostbares Obergewand über dem Harnisch, das war von Seide aus Azagauk und mit herrlichen Steinen besetzt. Man trug ihr den Speerheran, den sie immer warf; der war schwer und ungefüge, groß und breit und gräßlich scharf an den Kanten. Dreieinhalb Gewichte Metall waren dafür verwendet worden, und drei Mann hatten schwer daran zu tragen. Gunther begann sich zu sorgen. Er dachte bei sich: ›Was soll dies werden? Wie sollte selbst der Teufel aus der Hölle hier bestehen? Wär’ ich nur in Burgund geblieben, so sollte sie hier lange auf meine Werbung warten.‹ Hagens Bruder, der mutige Dancwart, sagte: »Diese Ausfahrt reut mich von Herzen. Wir haben immer den Namen von Helden getragen, und wie schimpflich werden wir umkommen, wenn uns in diesem Land die Frauen töten. Ich bin es sehr leid, daß ich hierhergekommen bin. Hätte Hagen noch sein Schwert und ich das meine, sollten sie ihren Übermut wohl mäßigen, diese Isländer. Des seid gewiß, sie sollten sich hüten. Ehe ich meinen Herrn umbringen lasse, würde diese schöne Frau sterben müssen, und wenn ich tausend Eide auf den Frieden geschworen hätte.« – »Wir wollten wohl unversehrt dies Land verlassen, wenn wir die Rüstung hätten, die wir im Kampf brauchten, und die Schwerter«, sagte sein Bruder Hagen, »dann würde die starke Frau wohl bescheidener sein.« Das Mädchen hatte deutlich verstanden, was er sagte. Sie blickte lächelnd über die Schulter zurück und sprach: »Wenn er sich so tapfer dünkt, soll man ihnen die Rüstung und die Schwerter herbeiholen.« Dancwart errötete vor Freude, als er sein Schwert wieder in der Hand hielt. »Nun mögen sie Wettkämpfe machen, wie sie wollen«, sagte er, »wenn wir unsere Waffen haben, ist Gunther ungefährdet.«
Prünhilts Stärke offenbarte sich eindrucksvoll. Man trug ihr einen Stein auf die Kampfstätte, der war so schwer, daß sie ihn zu zwölft bringen mußten. Wie den Speer, so warf sie auch diesen Stein jederzeit. Die Unruhe der Burgundenwuchs. »O wehe«, sagte Hagen, »wen will der König lieben! Sie sollte des Teufels Braut sein in der Hölle!« Sie streifte die Ärmel auf an ihren weißen Armen und ergriff den Schild. Sie zückte den Speer hoch empor, und der Kampf begann. Gunther und Sîfrit zusammen fürchteten Prünhilt nicht. Aber wenn Sîfrit ihm nicht zu Hilfe gekommen wäre, so hätten sie Gunther umgebracht. Sîfrit ging unsichtbar zu ihm und berührte seine Hand. Gunther fühlte es und erschrak. ›Was hat mich angefaßt?‹ dachte er. Er sah sich überall um, ohne jemand zu sehen. »Ich bin es, Sîfrit, dein Freund. Fürchte sie nicht. Gib mir den Schild und laß mich den tragen. Hör gut zu, was ich dir sage: Mache du die Bewegungen, die Taten überlasse
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