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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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bewältigen. Auch Ortwîn und Gêre zögerten nicht mit den Einladungen an die Freunde allenthalben, sie kündigten das Fest an. Die Mädchen putzten sich voller Erwartung. Die Wände des Palastes wurden überall mit prächtigen Teppichen behängt, im Königssaal wurden Tische und Bänke für die vielen Gäste aufgestellt. Jedermann sah dem großen Fest fröhlich entgegen. Auf allen Wegen kamen die Verwandten der drei Könige durch das Land herangeritten zum Empfang der Erwarteten. Die Festkleider wurden aus den Tüchern gewickelt. Den Rittern Prünhilts lief die Nachricht von ihrer Ankunft voraus. In Burgund wuchs die geschäftige Unruhe unter dem Volk. Kriemhilt ließ ihre Frauen die allerbesten Kleider für den Empfang anlegen, um Lob und Achtung der Fremden zu gewinnen. Nun kamen auch die Ritter und holten die Sättel und das prächtige Pferdegeschirr, denn die Frauen sollten bis zum Rhein reiten. Gold und Edelsteine funkelten an den Rossen, neben denen die Schemel für die Frauen auf Seidenteppichen standen. Mit Kriemhilt gingen sechsundachtzig Frauen in Hauben und hellen Kleidern, ihnen folgten vierundfünfzig schöne Mädchen – die vornehmsten in Burgund –, blond, mit leuchtenden Haarbändern sah man sie kommen. Den Wünschen des Königs waren sie bereitwillig gefolgt. Sie waren für die Gäste so gekleidet, wie es ihrer Schönheit anstand, und der wäre wohl nicht bei Verstand gewesen, dem sie nicht gefallen hätten. Es gab Kleider aus Zobelund Hermelin, auf den seidenen Ärmeln prangten die Reifen, kunstreiche Gürtel aus arabischem Stoff waren um die Kleider aus Wolle und Seide gewunden; aber die Mädchen wären bekümmert gewesen, wenn sie den Glanz des festgeschnürten Kleides nicht mit einem freudigen Gesicht überstrahlt hätten. Heute haben die Könige nicht mehr solchen schönen Hofstaat. Als sie fertig angezogen waren, kamen die festlich gestimmten Ritter zu ihrer Begleitung in großer Schar. Sie trugen Schilde mit sich und eschene Lanzen.

10 . WIE PRÜNHILT IN WORMS EMPFANGEN WURDE
    Am anderen Rheinufer war Gunther mit den Scharen seiner Gäste zu sehen. Die Pferde der Frauen wurden am Zügel geführt. Alles war zum Empfang bereit. Die Isländer und die Nibelungen bestiegen die Schiffe und eilten auf das jenseitige Ufer zu, wo die Burgunden standen. Die Königin Uote führte die Mädchen aus der Burg und ritt selbst mit zum Ufer. Herzog Gêre führte Kriemhilts Pferd aus dem Burghof vor das Tor, und von hier an diente ihr Sîfrit. Ortwîn ritt neben der Königin, hinter ihnen kamen paarweise nebeneinander Ritter und Mädchen. Noch nie waren so viele Frauen bei einem Empfang zugegen gewesen. Wie es dem Aufzug zukam, wurde auf dem Weg zu den Schiffen eifrig gefochten vor Kriemhilt. Dort wurden die Frauen aus dem Sattel gehoben. Der König und seine vornehmen Gäste hatten übergesetzt. Die Lanzenschäfte splitterten, die Schilde prallten gegeneinander, die harten Schildbuckel stießen sich laut im Gedränge. Die Frauen standen am Hafen. Die Gäste verließen die Schiffe. Gunther führte Prünhilt an seiner Hand auf das Ufer, und Kriemhilt trat vor undempfing Prünhilt mit ihrem Gefolge. Sie schoben den Kopfputz in die Höhe und küßten sich, wie die höfische Sitte es verlangte. Kriemhilt sagte: »Ihr sollt in Burgund mir und meiner Mutter und allen unseren Freunden willkommen sein.« Prünhilt verneigte sich und ließ sich von Kriemhilt und ihrer Mutter umarmen und küssen. Als die Frauen Prünhilts alle auf dem Ufer standen, kamen die Ritter und führten sie an den Händen fort. Die Begrüßung dauerte lange Zeit, und viele Küsse wurden getauscht. Die Königstöchter standen noch beieinander, und viele Ritter drängten sich um sie und erfreuten sich an dem Anblick. Wer bisher von der einzigartigen Schönheit der beiden Frauen nur hatte reden hören, sah sie nun mit eigenen Augen. Bei keiner waren die Spuren eines Schönheitsmittels zu entdecken. Wer Frauenschönheit schätzte, lobte die Frau des Königs, aber die Erfahrenen unter ihnen hatten schärfer beobachtet und wollten eher Kriemhilt den Vorzug geben.
    Ein weites Feld vor Worms war bedeckt mit kleinen und großen seidenen Zelten, wo des Königs Verwandte einander begrüßten. Dahin wurden Prünhilt und Kriemhilt mit allen ihren Frauen geführt, damit sie im Schatten sein konnten. Die Gäste stiegen nun auch zu Pferd, die Speerkämpfe begannen von neuem. Das Feld erfüllte sich mit Staub, als sei eine Feuersbrunst ausgebrochen; da erwies

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