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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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möchte uns verdursten lassen.« Hagen sagte: »Lieber Herr, ich dachte, die Jagd sollte im Spessart sein, dahin habe ich den Wein geschickt. Heute gibt es nichts zu trinken, aber ich werde künftig besser acht geben.« – »Sollen sie verwünscht sein«, erwiderte Sîfrit. »Man hätte mir sieben Saumtiere mit Met und Wein hierher schickensollen. Wenn das nicht möglich war, hätten wir uns näher am Rhein niederlassen sollen.« Da sagte Hagen: »Edle Ritter, ich weiß hier in der Nähe eine kühle Quelle. Seid nicht böse. Wir wollen dahin gehen.« Dieser Vorschlag sollte Unheil über manchen Ritter bringen. Sîfrit quälte der Durst, und bald ließ er die Mahlzeit abbrechen; er wollte zur Quelle in die Berge. Seine Beute wurde auf Wagen nach Burgund gebracht. Jeder, der sie angesehen hatte, lobte ihn. Als sie nun aufbrachen nach der großen Linde, sagte Hagen von Tronege: »Ich habe oft gehört, daß niemand Kriemhilts Mann im Lauf folgen könne. Wollt Ihr uns das nicht einmal zeigen?« – »Versucht es, mit mir um die Wette zu laufen«, sagte Sîfrit. »Wer zuerst an der Quelle ist, soll gewonnen haben.« Hagen erklärte sich einverstanden. Sîfrit wollte sich vor ihnen ins Gras legen und dann erst aufspringen; das hörte Gunther gern. Sîfrit wollte auch seine ganze Ausrüstung tragen, den Speer und den Schild; sogar das Schwert und den Köcher band er um. Gunther und Hagen zogen die Kleider aus und standen in den Hemden nebeneinander. Wie zwei Panther liefen sie durch das hohe Gras, dennoch war Sîfrit als erster an der Quelle. In allen Dingen war er immer der Überlegene. Er stand an dem sprudelnden Wasser und legte das Schwert und den Köcher ab, den Speer lehnte er an einen Lindenast, auch den Schild legte er weg. Aber sein Benehmen war vorbildlich: So groß sein Durst auch war, er trank nicht, bevor der König getrunken hatte. Der dankte es ihm übel. Die Quelle war kühl und rein. Gunther richtete sich wieder auf, nachdem er getrunken hatte, und trat beiseite. So hätte auch Sîfrit sich gerne wieder erhoben. Aber Hagen trug den Bogen und das Schwert weg und sprang zurück nach dem Speer. Und als Sîfrit über die Quelle gebeugt trank, spähte er nach dem Zeichen auf Sîfrits Rücken und durchbohrte ihn unterder Schulter, daß das Blut mächtig auf Hagens Kleider sprang. Er ließ ihm den Speer im Herzen stecken. So wild war Hagen noch vor keinem Mann in der Welt geflohen. Als Sîfrit sich der Wunde bewußt wurde, sprang er auf mit dem Speer, der ihm aus dem Rücken ragte. Er hoffte den Bogen oder das Schwert zu finden, um Hagen die Tat zu entgelten, aber er sah das Schwert nicht, und so hatte er nur den Schild. Er schwang ihn empor und lief Hagen an, der ihm nicht entkommen konnte. Er war todwund, schlug aber noch so hart zu, daß viele Edelsteine aus den Fassungen sprangen und der Schild zerbrach. Er hätte sich gern gerächt. Hagen war durch den Schlag zu Boden gestürzt, und die Lichtung hallte wider. Hätte er das Schwert gehabt, wäre es um Hagen geschehen gewesen; die Schmerzen machten ihn rasend. Dann wurde er bleich und konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Der Tod hatte ihn gezeichnet. Er fiel nieder in die Waldblumen, das Blut trat breit aus der Wunde. Er beschimpfte sie wegen des heimtückischen Mordes: »Ihr jämmerlichen Feiglinge, waren meine Dienste wert, daß ihr mich erschlagt? Ich bin Euch immer treu gewesen, dies ist nun Euer Lohn. Ihr habt Schande über Euer ganzes Geschlecht gebracht. Eure Nachkommen tragen für alle Zeit einen Makel. Ihr habt Euch ungeheuerlich an mir gerächt. Ihr sollt mit Schimpf und Schande aus der Ritterschaft ausgestoßen werden.« Die Ritter liefen alle bei ihm zusammen. Für alle war es ein Tag des Unglücks. Wer sich etwas Ehrlichkeit bewahrt hatte, beklagte ihn, und er hatte es wohl verdient. Als Gunther seinen Tod beklagen wollte, sagte der Sterbende: »Es ist nicht nötig, daß der den Schaden bedauert, der ihn selbst angerichtet hat. Er hat Verachtung verdient und sollte besser schweigen.«
    Da sagte Hagen: »Ich weiß in der Tat nicht, worüberIhr jammert. Wir sind nun für alle Zeiten ohne Sorge und Angst. Jetzt gibt es nur noch wenige, die es wagen dürfen, mit uns zu kämpfen. Ich bin froh, daß ich seiner Herrlichkeit ein Ende gemacht habe.«
    »Ihr könnt Euch leicht rühmen«, sprach Sîfrit. »Hätte ich Eure mörderische Art gekannt, so wäre ich am Leben geblieben. Nur Kriemhilt tut mir leid. Gott soll sich über meinen Sohn erbarmen, dem

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