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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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Spürhund wieder ein. Die Burgunden sahen Sîfrits Erfolge und baten ihn, er solle ihnen doch, wenn es möglich sei, ein paar Tiere am Leben lassen, sonst werde er in einem einzigen Tag den ganzen Wald leeren; und Sîfrit lachte. Von überall her hörten sie Lärm und Getöse von Jägern und Hunden, das Wald und Berge zurückwarfen. Sie hatten vierundzwanzig Meuten losgelassen, und vielen Tieren ging es ans Leben. Jeder hoffte, den Jagdpreis zu gewinnen, aber sie mußten darauf verzichten, als Sîfrit zur Feuerstätte kam. Die Jagd war noch nicht ganz zu Ende. Wer ins Lager kam, brachte Häute und Wild mit, und das Gesinde hatte viel zur Küche zu tragen. Der König ließ den Jägern den Imbiß ankündigen. Mit einem einmaligen langen Hornstoß wurde ihnen angezeigt, daß der König ins Jagdlager zurückgekehrt sei. Ein Jäger Sîfrits machte ihn auf das Hornsignal aufmerksam und sagte: »Ich will antworten.« So wurden die Gefährten durch Hörnerschall zusammengerufen. Auch Sîfrit entschloß sich, den Wald zu verlassen. Sein Pferd liefgleichmäßig, die Jäger eilten hinter ihm her. Da störte der Lärm einen Bären auf. Sîfrit rief zu den Jägern zurück: »Wir wollen uns einen tüchtigen Spaß machen. Laßt den Hund wieder los, hier ist ein Bär, der soll mit uns ins Lager kommen. Er braucht gar nicht so sehr zu laufen, er entkommt doch nicht.« Der Hund war los und lief hinter dem Bären her. Sîfrit wollte ihn zu Pferde erreichen, aber eine unwegsame Stelle hinderte ihn, und das Tier hoffte schon davonzukommen. Er sprang ab und begann die Verfolgung zu Fuß. Der Bär war ungeschützt und konnte ihm so nicht entrinnen. Sîfrit fing und band ihn ohne eine einzige Wunde, kratzen und beißen konnte der Bär ihn nicht. Er band ihn an den Sattel und stieg wieder aufs Pferd, so kam er lustig ins Lager zurück. Wie herrlich er anzusehen war! Er hatte einen starken breiten Speer, ein schönes Schwert hing ihm bis zu den Sporen, sein prächtiges Horn war ganz aus Gold. Er trug einen Rock aus schwarzem Samt und einen kostbaren Zobelhut, sein Köcher war mit schönen Bändern verziert und mit einem Pantherfell überzogen, wegen des angenehmen Geruchs, der die Tiere anlocken sollte. Seinen Bogen hätte jeder andere mit einer Winde spannen müssen, nur er tat es mit der Hand. Sein Gewand war ganz aus Fischotterhaut und überall mit Pelzwerk besetzt, zwischen dem das Gold leuchtete. Von seinem breiten Schwert Balmunc blieb kein Helm unversehrt, wenn er einmal zuschlug; die Kanten waren scharf geschliffen. Sein Köcher war voller starker Pfeile, deren handbreite Spitzen mit Gold an den Schäften befestigt waren. Wer mit ihnen getroffen wurde, hatte nicht mehr lange zu leben.
    So kam Sîfrit jagdgerecht angeritten. Gunthers Leute liefen ihm entgegen und nahmen ihm das Pferd ab. Als er abgestiegen war, löste er dem Bären die Fesseln am Fuß und am Maul. Die Hunde sahen das Tier und fingen mächtigan zu bellen. Der Bär wollte in den Wald zurück, die Männer konnten ihn nicht bändigen. Der Lärm trieb ihn in die Küche. Dort rissen die Knechte aus. Der Bär stieß die Kessel um und zerstörte die Feuerstellen; dabei geriet manches Gericht in die Asche. Die Fürsten und die Knechte drangen auf ihn ein. Der Bär wurde immer wütender. Der König ließ die Hunde von den Leinen losmachen. Die Männer wären froh gewesen, wenn alles vorbei gewesen wäre. Mit Spießen und Pfeilen ging man ihm nun zu Leibe, bis man ohne Gefahr für die Hunde nicht mehr schießen konnte. Der Lärm des Jagdvolks schallte in den Bergen. Der Bär ergriff vor den Hunden die Flucht, keiner außer Sîfrit konnte ihm auf den Fersen bleiben. Er ging ihn mit dem Schwert an und erschlug ihn; dann wurde das Tier zum Feuer zurückgetragen. Alle bewunderten Sîfrits Stärke.
    Die Jäger wurden zu Tisch gerufen. Sie saßen auf einer lieblichen Waldwiese, und reiche Gerichte wurden ihnen herangetragen. Die Bedienung konnte nicht besser sein, und wenn die Burgunden nicht Verrat im Sinne gehabt hätten, so wäre kein Schatten auf ihr Ansehen gefallen. Die Schenken, die den Wein bringen sollten, ließen auf sich warten. Sîfrit sagte: »Es wundert mich, daß uns so viel zu essen gebracht wird, aber kein Wein. Wenn man uns nicht besser bedient, wäre ich lieber der Jagd ferngeblieben. Ich hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.« Der König antwortete ihm von seinem Tisch her mit vorgetäuschtem Bedauern: »Wir wollen es gern wiedergutmachen. Daran ist Hagen schuld, der

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