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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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man nun für alle Zeiten vorwerfen wird, daß seine Sippe einen heimtückischen Mord begangen hat. König, wenn Ihr überhaupt jemand die Treue halten wollt, laßt Euch meine Liebste anbefohlen sein. Und bedenkt, daß sie Eure Schwester ist, behandelt sie ehrenhaft. Mein Vater und meine Männer müssen nun lange auf mich warten. Noch nie hat ein Freund eine Frau in solches Unglück gebracht.«
    Überall rötete sich das Gras von seinem Blut. Er kämpfte nicht mehr lange mit dem Tode, zu tief war er getroffen. Die Sprache versagte ihm. Als die Ritter sahen, daß er tot war, legten sie ihn auf einen goldenen Schild und kamen überein, wie Hagens Täterschaft zu verheimlichen sei. »Es ist ein Unfall«, sagten sie. »Wir wollen alle erzählen, er hätte allein gejagt, und da hätten ihn im Wald die Räuber erschlagen.« Da sagte Hagen: »Ich werde ihn nach Burgund bringen. Mir ist es gleichgültig, ob es die erfährt, die Prünhilt so gekränkt hat. Ihr Weinen soll mich wenig kümmern.«

17 . WIE SÎFRIT BEWEINT UND BEGRABEN WURDE
    Sie warteten, bis es dunkel wurde; dann ritten sie zurück über den Rhein. Niemals ist schlimmer gejagt worden. Das Tier, das sie erschlugen, sollte viel beweint werden,mancher Kämpfer mußte dafür büßen. Ihr werdet hören von großem Übermut und schrecklicher Rache.
    Hagen ließ nun Sîfrits Leiche zu Kriemhilts Kemenate tragen und heimlich vor die Tür legen, damit sie ihn finden sollte, wenn sie zur Frühmesse heraustrat, denn die pflegte sie selten zu versäumen. Die Glocken des Münsters läuteten wie immer. Kriemhilt weckte ihre Mädchen und befahl, ihr Licht und die Kleider zu bringen. Da kam ein Kämmerer an Sîfrit vorüber. Er sah, daß er von Blut überströmt war, aber er erkannte seinen Herrn nicht. Er trug das Licht in Kriemhilts Kammer. Als sie zum Kirchgang bereit war, sagte der Kämmerer: »Wartet noch. Vor dem Gemach liegt ein Ritter totgeschlagen.« Kriemhilt begann furchtbar zu weinen, ehe sie noch festgestellt hatte, daß es ihr Mann war. Sie dachte an Hagens Frage, wie er ihn schützen solle, und erst jetzt begriff sie ihr ganzes Unglück. Mit Sîfrits Tod nahm sie Abschied von jeder Freude. Sie sank zu Boden und sprach nicht mehr. Die Mädchen sahen die schöne Unglückliche liegen; als sie aus der Ohnmacht erwachte, schrie sie so auf, daß das Gemach erzitterte. Ihr Gesinde sagte, es könne ein Fremder sein. Ihr trat Blut auf die Lippen vor Schmerz. »Es ist Sîfrit, mein lieber Mann. Prünhilt hat es angestiftet, und Hagen hat es getan.« Sie ließ sich zu Sîfrit führen und hob seinen Kopf auf mit ihren Händen. Er war entstellt durch das Blut, aber sie erkannte ihn sofort. Jammernd rief sie aus: »Weh über mein Unglück! Nun ist dein Schild nicht von Schwertern zerschlagen, sondern du liegst hier ermordet. Wenn ich den Täter gestellt habe, will ich ihm nach seinem Leben trachten ohne Ende.« Ihr Gesinde schluchzte und trauerte mit der Herrin, denn es tat ihnen schmerzlich leid um ihren König, den sie so verloren hatten. Hagen hatte Prünhilts Unmut übel gerächt.
    Kriemhilt schickte die Kämmerer zu Sîfrits Männern undzu König Sigemunt und ließ sie wecken. Die Nibelungen wollten es nicht glauben, bis sie das Weinen hörten. Der Bote trat an Sigemunts Lager, aber der König schlief nicht. Ich glaube, sein Herz sagte ihm, daß ihm etwas Schlimmes zugestoßen war, daß er seinen Sohn nicht lebend wiedersehen sollte. »Steht auf, Herr Sigemunt. Meine Herrin Kriemhilt schickt mich. Ihr ist ein Leid geschehen, das schrecklicher ist als alles Unglück, Ihr sollt mit ihr klagen, denn auch Euch wird es sehr nahe gehen.« Sigemunt richtete sich auf und fragte, was Kriemhilts Leid sei. Der Bote antwortete unter Tränen: »Ich kann es Euch nicht verschweigen. Sîfrit ist erschlagen worden.« Sigemunt antwortete ihm: »Laßt Eure Scherze mit so schlimmen Dingen, und sagt nicht, er sei umgebracht. Ich könnte mein Leben lang nicht aufhören zu klagen.« – »Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so hört Kriemhilt und ihr Gefolge selbst weinen.« Sigemunt erschrak sehr. Er sprang mit seinen hundert Männern vom Lager. Sie nahmen die Schwerter zur Hand und liefen bestürzt heran. Auch die tausend Männer Sîfrits kamen. Erst als sie das jämmerliche Weinen der Frauen hörten, kam es ihnen in den Sinn, daß sie sich hätten ordentlich anziehen sollen; aber sie konnten wohl ihrer Gedanken nicht mächtig sein, denn ihr Herz war schwer. Sigemunt begab sich zu Kriemhilt

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