Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
Vom Netzwerk:
unangemessen, noch etwas zu verlangen. Er wolle Etzels Bote sein mit seinem eigenen Besitz, den er vom König empfangen habe. »Wann wollt Ihr also reisen?« fragte der König. »Gott soll Euch und meine liebe Frau unterwegs in allen Ehren behüten. Mag das Glück mir helfen, daß sie uns freundlich gesinnt ist.« Rüedegêr sagte: »Ehe wir das Land verlassen, müssen wir noch unsere Waffen und Kleider herrichten, damit wir Ehre einlegen können vor den Fürsten. Fünfhundert stattliche Männer will ich an den Rhein mitnehmen. Wo man uns in Burgund sieht, soll jeder dir zugestehen, daß noch kein König besser ausgestattete Männer auf Gesandtschaft geschickt hat. Und wenn du, großer König, darum nicht zurücktreten willst – sie hat ihre kostbare Liebe Sîfrit zu eigen gegeben, dem Sohn Sigemunts, den du hier gesehen hast. Wahrlich, man konnte viele Tugenden an ihm rühmen.« Etzel erwiderte: »Wenn sie die Frau dieses großen Helden war, so muß ich sie nicht verschmähen. Um ihrer Schönheit willen ist sie mir lieb.« Der Markgraf kündigte an, daß er in vierundzwanzig Tagen abreisen wolle. Er schickte Gotelint, seiner lieben Frau, Bescheid nach Pöchlarn, daß er als Bote zu Kriemhilt reiten werde. Die Markgräfin war betrübt und froh zugleich. Sie hörte, daß Etzel um eine Frau werben wollte, und sie dachte an Helche. Sie weinte bei dem Gedanken, ob sie wohl je wieder eine solche Herrin bekommen würde.
    Nach sieben Tagen verließ Rüedegêr Ungarn. König Etzel war froh und heiter. In Wien fertigte man Kleider für sie an, aber die Reise brauchte deswegen nicht länger unterbrochen zu werden. Noch bevor Rüedegêr von Wien nach Pöchlarn ritt, waren ihre Kleider völlig unbeschädigt auf Saumtieren angekommen, nichts war geraubt. Sie kamen nach Pöchlarn, wo Gotelint und seine Tochter auf Rüedegêr warteten, und er ließ seine Reisegefährten angenehm unterbringen. Gotelint war voller Freude, und seiner Tochter, der jungen Markgräfin, konnte nichts lieber sein als seine Ankunft. Wie gern sah sie Helden aus dem Hunnenland! Fröhlichen Mutes sagte sie: »Mein Vater und seine Männer seien uns willkommen.« Die Ritter verbeugten sich vor der jungen Markgräfin.
    Gotelint wußte wohl, wie Rüedegêr zumute war. Nachts, als sie neben ihm lag, fragte sie ihn nach seinem Auftrag. Er erzählte ihr, daß er als Brautwerber zu Kriemhilt unterwegs sei, die nach Helches Tod Hunnenkönigin werden solle. »Daß es doch gelingen möchte!« antwortete Gotelint. »Sie wird so gerühmt, daß sie uns für meine Herrin entschädigen könnte, wenn wir alt sind. Wir möchten sie gern die Hunnenkrone tragen sehen.« Der Markgraf sagte: »Meine Liebe, beschenkt meine Reisegefährten freundlich. Wenn Ritter in reicher Ausstattung reisen, sind sie in guter Stimmung.« – »Jeder wird es gern annehmen, wenn ich ihm gebe, was ihm zusteht«, antwortete sie. »Das ist mir sehr lieb«, entgegnete der Markgraf. Die Ritter bekamen aus Gotelints Kammer reichlich Kleider aus gutem Stoff, die gefüttert waren vom Hals bis an die Sporen. Rüedegêr hatte sich die Ritter ausgesucht, die ihm für die Reise geeignet schienen.
    Am siebenten Morgen ritt der Herr mit seinen Gefährten aus Pöchlarn. Eine Fülle von Waffen und Kleidern führtensie mit sich durch Bayern, und selten wurden sie unterwegs von Straßenräubern überfallen. Innerhalb von zwölf Tagen kamen sie an den Rhein. Diese Neuigkeit konnte nicht lange unbemerkt bleiben. Dem König wurde berichtet, es seien Fremde angekommen. Er fragte, ob jemand sie kenne. Ihre Saumtiere waren schwer beladen, man sah gleich, daß sie sehr reich waren. Man brachte sie unverzüglich in der Stadt unter. Die Wormser drängten sich neugierig und wunderten sich, woher die Fremden wohl gekommen wären. Gunther fragte Hagen nach ihnen. Der sagte: »Ich habe sie noch nicht gesehen. Sie müßten schon sehr fremd sein, wenn ich sie nicht erkenne, sobald wir sie zu Gesicht bekommen.« Jetzt kamen die Gäste zu Hof in kostbaren feingeschnittenen Kleidern. Da sagte Hagen: »Wenn ich mich nicht irre – freilich habe ich ihn lange nicht mehr gesehen –, es müßte dem Auftreten nach Rüedegêr aus Hunnenland sein.« – »Wie soll ich glauben, daß der von Pöchlarn zu uns kommt?« fragte der König, aber bevor er zu Ende gesprochen hatte, erkannte Hagen Rüedegêr. Er lief mit seinen Männern aus dem Saal. Fünfhundert hunnische Ritter sah man von den Pferden steigen, die wurden herzlich empfangen. Laut

Weitere Kostenlose Bücher