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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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darauf, den Burgunden Leid zu bereiten. Als sie ihr Gesinde unter Waffen sah, sagte sie: »Wartet eine Weile und bleibt hier stehen. Ich will mit der Krone zu meinen Feinden gehen. Und hört die Beschuldigungen, was Hagen mir angetan hat. Er ist so herausfordernd, daß er mir gegenüber nichts leugnen wird. Dann ist mir gleichgültig, was ihm dafür geschieht.«
    Dann sah der Spielmann sie auf einer Treppe aus dem Haus kommen, und er sagte zu seinem Gefährten: »Nun seht Euch an, Freund Hagen, wie sie da herankommt, die uns hinterhältig eingeladen hat. Ich habe bei einer Königin nie so viele Männer mit Schwertern in den Händen dermaßen streitbar auftreten sehen. Sollten die Euch feind sein, Hagen? Dann rate ich Euch, seht Euch desto besser vor. Soweit ich es beurteilen kann, sind sie in zorniger Stimmung. Und viele sind auch über die Brust verdächtig breit, ich glaube, sie tragen Harnische unter der Seide. Ich kann mir nicht denken, gegen wen sich das richtet.« Hagen antwortete voller Erbitterung: »Ich weiß wohl, daß sie die blanke Waffe in der Hand tragen, das geht alles nur gegen mich. Aber diese da dürften mich kaum an der Rückkehr hindern. Jetzt sagt mir, Freund Volkêr, ob Ihr mir beistehen wollt, wenn Kriemhilts Männer mich angreifen? Versprecht mir das, wenn ich Euch teuer bin; ich will es Euch stets treu entgelten.« – »Ich werde Euch gewiß helfen«, sagte der Spielmann. »Und wenn uns hier der König entgegenkäme mit allen seinen Kriegern, solange ich lebe, werde ich Euch keinen Fußbreit von der Seite weichen.« – »Daslohn’ Euch Gott im Himmel, edler Volkêr. Was brauche ich nun noch, wenn sie mit mir kämpfen? Jetzt sollen sie sich in acht nehmen.«
    »Nun wollen wir uns erheben und sie vorübergehen lassen«, sagte der Spielmann. »Sie ist eine Königin und eine edle Frau. Daß wir ihr die Ehre erweisen, wird uns selbst gut anstehen.« – »Nein, mir zuliebe nicht«, sagte Hagen aber. »So könnten sich diese Männer einbilden, daß ich aus Furcht vortrete. Ich will mich vor keinem von ihnen erheben. Wahrlich, das steht uns besser an. Warum soll ich dem Ehre erweisen, der mich haßt? Das will ich nicht tun, solange ich lebe. Und was soll Kriemhilts Zorn mich kümmern?«
    Hagen legte frech über seine Knie eine glänzende Waffe, an deren Knauf ein grasgrüner Jaspisstein strahlte. Kriemhilt erkannte Sîfrits Schwert, und Gram und Trauer überfielen sie. Der Griff war aus Gold, die Scheide eine rote Borte. Ihr Leid stieg wieder auf, und sie weinte. Ich glaube, darum hatte Hagen es getan.
    Volkêr zog einen Fidelbogen auf der Bank näher zu sich heran, der sah aus wie ein scharfes breites Schwert. Sie saßen beide furchtlos da und kamen sich so erhaben vor, daß sie vor niemand sich erheben wollten. Die Königin trat ihnen dicht vor die Füße und grüßte sie feindselig. Sie sagte: »Sagt einmal, Herr Hagen, wer hat eigentlich nach Euch geschickt, daß Ihr so selbstsicher in dies Land zu reiten wagt, wo Ihr doch genau wußtet, was Ihr mir angetan habt? Wärt Ihr bei Verstand gewesen, hättet Ihr es lieber unterlassen.«
    »Nach mir hat niemand geschickt«, sagte Hagen. »Es wurden drei Männer hierher eingeladen, sie sind meine Herren, ich bin in ihren Diensten, und sie haben mich auf jede Reise mitgenommen.«
    Sie sagte: »Sprecht weiter, wodurch habt Ihr meinen Haß verdient? Ihr habt Sîfrit, meinen lieben Mann, erschlagen, darum muß ich weinen bis an mein Ende.«
    Er sagte: »Wozu noch reden? Jetzt ist es genug. Ich bin immer noch der Hagen, der Sîfrit erschlug, den mächtigen Helden. Er hat bitter büßen müssen, daß Ihr die schöne Prünhilt beschimpft habt! Ich will es nicht leugnen, Königin, an dem allen trage ich allein die Schuld. Räche es, wer will. Ich gestehe es unverhohlen ein: ja, ich habe Euch viel Leid zugefügt.«
    Sie sagte: »Da hört Ihr selbst, Ihr Ritter, daß er mir nichts abstreitet. Was ihm nun geschieht, das soll mich nicht kümmern, Ihr Männer Etzels.« Die hunnischen Ritter blickten einander verlegen an. Wenn einer den Kampf angefangen hätte, wäre es so zugegangen, daß man doch nur die beiden Burgunden hätte rühmen müssen; das hatten sie oftmals im Sturm bewiesen. Die Hunnen wichen furchtsam von ihrem Vorhaben zurück. Einer sagte: »Was seht Ihr mich an? Ich nehme zurück, was ich vorhin versprochen habe, ich will für keines Menschen Geschenke mein Leben verlieren. Die Königin will uns verleiten.« Neben ihm sagte ein anderer: »Das ist

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