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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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mitgenommen werden. Übergebt sie mir, Ihr Ritter, ich lasse sie Euch aufbewahren.«
    »O nein«, sagte Hagen, »das werden wir gewiß nicht tun. Ich habe kein Verlangen nach der Ehre, daß Ihr, die Geliebte des Fürsten, meinen Schild und meine Waffen zur Herberge tragt: Ihr seid eine Königin, und so hat mein Vater es mir nicht beigebracht. Kämmerer will ich selbst sein.«
    »Weh über mein Unglück«, sagte Kriemhilt jetzt, »warum wollen Hagen und mein Bruder ihren Schild nicht abgeben? Sie sind gewarnt. Wüßte ich, wer das getan hat, der hätte sein Leben verwirkt.«
    Dietrîch antwortete ihr zornig: »Ich bin es, der die Könige und Hagen gewarnt hat. Nur zu, du Teufelin, laß mich nicht ungestraft.« Kriemhilt war tief betroffen. Sie fürchteteDietrîch sehr und ging rasch fort, ohne noch etwas zu sagen, nur einen schnellen Blick warf sie noch auf ihre Feinde.
    Da ergriffen sich Dietrîch und Hagen bei den Händen, und Dietrîch sagte: »Eure Reise zu den Hunnen macht mir Sorge, weil die Königin solche Reden geführt hat.« – »Das wird sich alles finden«, antwortete Hagen.
    Etzel sah sie und erkundigte sich, wer jener Ritter sei, den Dietrîch so herzlich begrüße. »Er ist sehr selbstbewußt. Wer auch sein Vater sei, er selbst muß ein angesehener Mann sein.« Ein Dienstmann Kriemhilts antwortete dem König: »Er ist in Tronege geboren, sein Vater hieß Aldriân. Wenn er sich hier auch freundlich aufführt, er ist ein furchtbarer Mann. Ich werde Euch bald beweisen, daß ich nicht gelogen habe.« – »Woran sollte ich erkennen, daß er so furchtbar ist?« Damals wußte Etzel noch nichts von den schlimmen Anschlägen, die die Königin dann gegen ihre Verwandten machte, so daß am Ende keiner am Leben blieb. »Aldriân habe ich gut gekannt, er war mein Dienstmann. Er hat sich viel Ansehen bei mir erworben; ich habe ihn zum Ritter gemacht und ihm von meinem Gold gegeben. Helche mochte ihn aufrichtig leiden. Deswegen kenne ich Hagen seitdem recht genau. Ich hatte einst zwei schöne Kinder als Geiseln, das waren er und Walther von Spanien, die sind hier aufgewachsen. Hagen habe ich freiwillig entlassen, Walther ist mit Hiltegunt entflohen.« Er erinnerte sich an Ereignisse, die vor langer Zeit geschehen waren. Er betrachtete genau seinen Freund von Tronege, der ihm in seiner Jugend als tüchtiger Gefolgsmann gedient hatte. Aber im Alter sollte er ihm viele liebe Freunde ums Leben bringen.

29 . WIE KRIEMHILT HAGEN TADELTE UND ER NICHT VOR IHR AUFSTAND
    Hagen und Dietrîch trennten sich. Hagen blickte über die Schulter nach einem Gefährten aus, den er bald gefunden hatte. Er sah Volkêr neben Gîselher stehen und bat den kunstbegabten Spielmann, mit ihm zu kommen, denn er hatte seine Erzürntheit deutlich bemerkt. Noch ließ man die Herren auf dem Hof stehen. Da gingen die beiden ganz allein über den weitläufigen Hof auf einen mächtigen Palast zu; ihnen war vor niemandem bange. Sie ließen sich am Haus auf einer Bank vor dem Saal nieder. Der gehörte aber Kriemhilt. Ihre prächtigen Gewänder strahlten ihnen am Leibe, und wer sie sah, hätte sie gerne kennengelernt. Die Hunnen starrten die beiden, die so herausfordernd dasaßen, wie wilde Tiere an. Auch Kriemhilt sah sie aus einem Fenster, und es machte sie von neuem traurig. Hagen erinnerte sie an ihren Schmerz, und sie weinte. Die Hunnen verwunderten sich und fragten, was sie so unverhofft betrübt habe. Sie antwortete: »Das hat Hagen getan, Ihr Ritter.« Sie fragten: »Wie kam das? Wir haben Euch doch eben noch frohen Mutes gesehen. Der Euch das angetan hat, kann noch so kühn sein, es soll ihm ans Leben gehen, wenn Ihr es befehlt.« – »Ich wäre ewig dankbar, wenn einer mein Leid vergilt, und würde ihm geben, was er wünscht. Ich bitte Euch fußfällig«, sagte die Königin, »rächt mich so an Hagen und tötet ihn.« Unverzüglich rüsteten sich sechzig Männer, die für Kriemhilt hingehen wollten und Hagen erschlagen mitsamt dem Spielmann. Das war verräterisch. Als die Königin wahrnahm, wie klein die Schar war, sagte sie ärgerlich: »Ihr braucht gar nicht erst anzufangen. So gering an Zahl dürft Ihr es mit Hagen nicht aufnehmen.Und dann ist Hagen zwar stark und tapfer, aber der da neben ihm sitzt, der Spielmann Volkêr, ist noch viel stärker. Er ist ein gefährlicher Mann. So leichten Kaufes werdet Ihr die beiden nicht überwinden.« Als sie das gesagt hatte, waffneten sich mehr, es waren nun vierhundert. Mit Eifer sann die Königin

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